Weihnachten ist geschafft. Vielleicht das erste Weihnachten ohne deinen geliebten Menschen. Bei mir war es in diesem Jahr das vierte ohne Julian. Vieles hat sich geändert, kein Weihnachten bisher war für mich so furchtbar wie das allererste ohne ihn. Und doch: Er fehlt. Dazu habe ich gestern folgendes auf der Facebookseite von In lauter Trauer geteilt:
Du fehlst.
Denn Weihnachten ohne dich ist immer auch traurig, egal wie schön es zugleich ist.
Mir fehlen dein Lachen und deine kreativen Geschenkideen. Ohne dich bin ich da ziemlich aufgeschmissen.
Deine Kochkünste fehlen und überhaupt du als Mensch ganz real an meiner Seite.
Schön, dass du immer da bist und schade, dass du es zugleich nicht bist.Ich liebe dich. ♥
Nach Weihnachten folgt für viele Trauernde direkt die nächste Hürde: Silvester.
Für mich war es im ersten Jahr noch um einiges schlimmer als die Weihnachtstage. Auch von euch haben mir einige geschrieben, dass sie Silvester als schlimmer empfinden. Während alle um mich herum meinten, Hoffnung verbreiten zu müssen, indem sie mir sagten, dass dieses schreckliche Jahr nun endlich vorbei sein und das nächste auf jeden Fall besser würde, wollte ich es einfach nicht haben, dieses neue Jahr. Denn was sollte da bitte besser werden? Julian würde doch weiterhin tot sein. Er würde sogar noch weiter entfernt sein, zeitlich gesehen. In den Tagen vor Silvester versuchte ich mich mit aller Kraft gegen diesen Jahreswechsel zu wehren. Natürlich hatte ich keine Chance und konnte die Zeit nicht aufhalten. Ich weiß noch genau, wie ich innerlich schrie und kämpfte und schmerzte. Ich war nicht bereit dafür, dass dieses Jahr endete. Ich war nicht bereit dafür, in ein neues Jahr zu gehen, in dem es Julian nie gegeben hatte. Damals hatte ich keine Worte dafür, ich wusste nicht wie ich es erklären sollte. Wie soll jemand das verstehen, aus dessen Sicht es gut ist, ein schlimmes Jahr abzuschließen und hinter sich zu lassen? Ich wollte nichts abschließen und hinter mir lassen. Ich wollte und konnte keine weiteren Veränderungen ertragen. Die schlimmste, große Veränderung war einfach geschehen und ich war noch voll und ganz damit beschäftigt, sie zu verstehen, zu realisieren. Damals war ich weit davon entfernt, sie zu akzeptieren. Ich wollte verharren im Moment, im Schmerz, im Zeitlosen. Doch die Zeit, sie lief einfach unbeirrt weiter. Die Jahreszeiten hatten bereits dreimal gewechselt, es war wie immer Weihnachten gewesen und nun auch noch der Jahreswechsel. Für mich ging damals einfach alles zu schnell. Ich hatte das Gefühl, nicht mehr mitzukommen. Ein Teil von mir saß noch immer in Nepal bei Julian und versuchte zu begreifen, was eigentlich passiert war. Ich fühlte mich verwundet, hilflos und verloren. Wie sollte ich da hoffnungsvoll in ein weiteres, diesmal ganzes Jahr komplett ohne Julian blicken?
Vielleicht empfindest du heute ähnlich in Bezug auf Silvester und das kommende neue Jahr wie ich damals. Ich schreibe darüber, um dir zu sagen: Du bist nicht alleine damit. Es ist nicht seltsam oder gar falsch, wenn du es nicht als positiv empfindest, dass dieses Jahr endet. Genauso wenig ist es falsch oder irgendwie komisch, wenn es für dich ganz anders ist und du es vielleicht gerade kaum erwarten kannst, dass ein neues Jahr beginnt. Vielleicht ist es auch gar nicht so klar und deine Gefühle wechseln ständig hin und her zwischen Hoffnung und Hoffnungslosigkeit, zwischen dem Wunsch nach Neubeginn und dem Bedürfnis, an Altem festzuhalten. Egal was gerade an Gefühlen in Bezug auf Silvester bei dir da ist, es ist alles okay. Nichts davon ist falsch.
Mein Widerstand gegen den Jahreswechsel vor drei Jahren hatte keinen Zweck. Und so wurde es irgendwann doch Silvester und schließlich auch Mitternacht. Ich verkroch mich bei meinen Eltern, versuchte alles zu ignorieren und war ein bisschen erstaunt, als es tatsächlich einfach so vorbei ging. Der 1. Januar kam und es war ein Tag wie jeder andere. Es wurde weder plötzlich alles besser noch irgendwie schlechter nur weil ein neues Jahr begonnen hatte. Im Grunde war einfach nur ein weiterer Tag ohne Julian vergangen. Sein Verlust schmerzte nach wie vor, an meiner Trauer hatte dieser eine Tag nichts geändert. Die neue Zeitrechnung hatte sowieso bereits einige Monate zuvor begonnen.
So mache ich mir seitdem nicht mehr viel aus Silvester. Ich nutze die Zeit, um über das vergangene Jahr zu reflektieren und zu überlegen, was mir für das kommende Jahr wichtig ist, was ich mir wünsche. In diesem Jahr schaue ich in Dankbarkeit und mit etwas Verwunderung auf die vergangenen Monate zurück und bin gespannt, was die nächsten wohl bringen werden. Ich habe aufgehört, irgendwelche großartigen Vorsätze und Pläne zu schmieden. Die Zeit vergeht und ich begebe mich so gut ich kann in den Fluss des Lebens – mit allen Stromschnellen und Herausforderungen, die da kommen mögen.
Ich wünsche mir mehr Mitgefühl, mehr Miteinander und mehr echtes Dasein füreinander. Ich wünsche mir, dass mehr Menschen sich erlauben, ihre Gefühle zu fühlen, und damit nicht alleine sein müssen. Ich wünsche mir mehr Räume für die Trauer und all ihre Facetten.
Ich wünsche dir von Herzen, dass dein Silvester in diesem Jahr erträglich wird. Wenn du magst, erzähle in den Kommentaren, wie es dir damit geht, was du planst oder auch nicht planst. Hast du etwas ganz bestimmtes vor oder versuchst du lieber, diesen Tag komplett zu ignorieren? Willst du bewusst daheim sein oder lieber an einem ganz anderen Ort? Gibt es etwas, das du dir und anderen für das neue Jahr wünschst?
Liebe Silke,
Silvester… das 2. Mal ohne meinen Mann.
Letztes Jahr war mir nur klar:
ich will allein sein ,ich wollte mit niemanden anstoßen, feiern schon gar nicht. um 22 Uhr eine Hoggar Night ( rezeptfreies Schlafmittel) nehmen und einfach ins nächte Jahr hineinschlafen.
Das Ein- /Durchschlafen hat trotzdem nicht so gut geklappt, aber es war für mich richtig ALLEIN UND in großer Sehnsucht MIT IHM zu sein.
Und dann habe ich am nächsten Tag nur gedacht, endlich diese Tage geschafft und auch, was mag mir das Jahr 2016 , das 1. Jahr ohne ihn bringen?
???????
Nun also Silvester 2016…
mit einer neuen Freundin aus der Trauergruppe werde ich 4 Tage an die Ostsee fahren.
Ihr Mann ist genau Silvester 2015 verstorben.
Wir verstehen uns gut, werden es ruhig angehen lassen, wahrscheinlich auch mal zusammen weinen, uns in den Arm nehmen… Erinnerungen austauschen, mal lächeln und auch mal lachen… sie hat einen erfrishcenden trockenen Humor ( auch in dieser für sie so schmerzvollen Zeit )
Wir werden uns den frischen Wind um die Nase wehen lassen.
Es tut so gut, sie kennen zu lernen und zu merken, sie wird eine richtig gute Freundin in diesem, unserem anderen Leben…
Herzwarme Grüße
M.-
Liebe Martina,
danke dir für deinen Kommentar. Ich bin mal wieder etwas langsam mit dem Antworten ..
Nun hoffe ich, dass du mit deiner Freundin eine bereichernde Zeit an der Ostsee hattest und ihr so gemeinsam in dieses neue Jahr gehen konntet. Wie schön, dass ihr euch gefunden habt und ein wenig stützen könnt und vor allem gegenseitig viel verstehen.
Herzliche Grüße
Silke
Wolfgang Rinn · geb. 1936
Weggefährtin
Eine kleine Trauer
hat sich auf den Weg gemacht
und bei mir angeklopft,
an mich gedacht.
„Komm, lass uns miteinander
so wie Freunde gehen,
dann werden wir
am Ende unseres Dunkels sehen
ein helles Licht,
das ernsthaft Suchende
auch fernerhin begleitet
und unbemerkt
in ihrer Einsamkeit geleitet.“
Habe ich heute „gefunden“ und finde dieses Gedicht sehr schön.
Alles Gute und Liebe für dich und alle anderen, die einen schmerzvollen Verlust eines lieben Menschen durchleiden müssen. Weiterhin viel Mut und Hoffnung auf eine Zeit mit wieder mehr Glücklichkeit.
M.
Liebe Martina,
Deine Worte zu meinem Gedicht „Weggefährtin“ und die guten Wünsche für meine Person haben mich tief berührt. Es ist kurz vor dem Tod meiner Frau entstanden, aber erst jetzt im März in der Anthologie „Unterm Lyrikmond“ veröffentlicht worden. Auch nach nahezu neun Jahren ist die Grundstimmung in meinem Innern dieselbe geblieben. Es hat mich sehr gefreut, dass Dir dieses Gedicht etwas bedeutet, auf welchem persönlichen Hintergrund auch immer. Wenn Du ein bisschen mehr über jich erfahren willst, kannst Du mir im Internet begegnen unter „Wolfgang Rinn Wortgefecht August 2014“
Vorerst mit ganz herzlichen Grüßen Wolfgang Rinn
Liebe Silke,
vielen Dank für diesen einfühlsamen Text, der so gut diesen schwierigen Tag heute beschreibt. Ich weiß gar nicht so genau, was ich heute fühle, es ist mal tiefe Traurigkeit, dann Dankbarkeit, dann Zuversicht und Hoffnung, dann wieder Einsamkeit und Verzweiflung, und dann scheint da innerlich plötzlich die Sonne. Es ist mit all diesen widersprüchlichen Gefühlen v.a. sehr anstrengend. Und es ist schön, dies alles auszuhalten und einfach zu fühlen. Ich weiß nicht, warum ich das alles erlebe, erleben muss, aber ich nehme es, wie es kommt. Vielen lieben Dank für diese Seite, liebe Silke, und dafür, dass du an diesen und anderen Tagen einfach da bist!
Liebe Grüße
Conny
Liebe Conny.
danke dir vielmals für deinen Kommentar! Es berührt und freut mich zu lesen, dass ich durch meinen Artikel an diesem Tag auf eine Art für dich da sein konnte. Es ist eine so schöne Vorstellung, wie als könnte ich dir (und vielleicht noch anderen) mit meinem Text ein bisschen die Hand halten. Und das ist ja oft alles, was es braucht.
Ich glaube dir, dass diese vielen widersprüchlichen Gefühle sehr anstrengend waren. Sie schleudern uns oft hin und her und wir wissen manchmal gar nicht mehr, was wir zuerst fühlen sollen, wo oben und unten ist. So habe ich es oft erlebt. Und bei aller Anstrengung ist es doch leichter, das alles auszuhalten und zu fühlen, so wie du es schreibst, als sich dagegen zu wehren. Denn Wegmachen können wir das alles eh nicht und wenn wir dies noch zusätzlich versuchen, ist es auf Dauer vor allem eins: noch viel anstrengender.
Herzliche Grüße
Silke
„Ich war nicht bereit dafür, in ein neues Jahr zu gehen, in dem es … nie gegeben hatte.“
Liebe Silke, genau dieser Satz bringt auf dem Punkt, wie es mir am ersten Jahreswechel ohne meine Liebste erging.
Desahlb glaube ich, war Silvester für mich viel, viel schlimmer als Weihnachten, ich will mit dieser ungeschminkten, trostlosen Tatsache einfach nichts zu tun haben.
Deshalb spare ich mir auch irgendwelche Neujahreswünsche.
Ich wünsche Euch IMMER alle Gute und Liebe!
Und zwar neben körperlicher Gesundheit immer die Zeit, die Ihr braucht, um zu Euch selbst zu finden. Dann kann man auch mal wieder etwas abgeben und so die Welt ein bisschen schöner machen.
Ralf
Lieber Ralf,
ich danke dir für deinen Kommentar. Ich fand deine Wünsche sehr berührend und habe sie direkt auch auf meiner Facebookseite zitiert. Ich hoffe, das war okay.
Es tut mir leid, dass Silvester für dich so schlimm war. Zugleich kann ich es so gut verstehen. Obwohl es eigentlich nur ein einziger Tag ist wie jeder andere auch, ist es zugleich doch so viel mehr.
Herzliche Grüße
Silke
Liebe Silke,
es war bei mir genauso….ich fand den Gedanken schrecklich, in ein Jahr ohne meinen Ehemann zu wechseln…..frohes neues Jahr; das hatten wir uns Anfang des Jahres doch gewünscht….es ist letztendlich nicht in Erfüllung gegangen. Ich muss jetzt eine lange Zeit, die ich mit meinem Mann verbracht habe, ziehen lassen und habe keine Zukunft mehr mit ihm. Dieser Gedanke ist einfach schrecklich. Ich bin für die Vergangenheit dankbar, aber es macht mich auch traurig…..noch gefällt es mir nicht, dass ich eine neue Zukunft habe. Ich habe es mir nicht ausgesucht….
Liebe Iris,
danke dir für deinen Kommentar! Ich kann das, was du schreibst, sehr gut nachempfinden. Ihr seid vor einem Jahr gemeinsam in dieses damals neue Jahr gestartet und am Ende musstest du ohne ihn ins nächste gehen. Das ist nichts, was wir uns jemals aussuchen würden, denn es tut einfach nur schrecklich weh. Eine Zukunft vor dir zu haben, die so ganz anders ist als das, was du dir gewünscht hast, ist traurig und ich finde es völlig verständlich, dass dir das nicht gefällt. Bei deinem Kommentar ist mir noch mal bewusst geworden, dass Silvester genau deshalb so schrecklich sein kann, weil es den Fokus auf diese nicht gewollte Zukunft richtet und von uns erwartet, dass wir uns auch noch darüber freuen.
Herzliche Grüße
Silke
Ihr Lieben,
ihr habt es trotz aller Schwierigkeiten und anstrengender Gefühle geschafft, Silvester zu überstehen. Nun ist es geschafft und vielleicht darf es ein paar leichtere Momente oder Tage geben. Ich schicke einfach mal eine Umarmung in die Runde, zu jedem von euch. Ihr seid nicht alleine.
Liebe Silke
deine Trauer arbeit ist ein Trost für mich
Es war das Jahr 2016 Das dritte Jahr ohne meine Tochter
Alle Familien Mitglieder lassen die erste Rakete für unsere Nicole steigen
Vorher kommt noch Weihnachten am 24 haben wir alle zusammen gefrühstückt bei ihr und nun versuchen wir alles aufrecht zu erhalten es ist nicht einfach Kinder Weihnachten gibt es jetzt bei Oma Klappt auch ganz gut
Abend trennen sich die Wege und wir hoffen das sie Damit einverstanden ist.
Nicole ist immer bei uns sie begleitet uns auf allen wegen es ist schwer los zu
lassen bin Traurig
denke an sie ihr duft Duft liegt in der Luft
Spüre ihre Gegenwart
Genieße ihre Anwesenheit
Ich weiß ich muss Los lassen
Kann nicht helfe mir
LG Heidi
Liebe Silke,
ich habe das erste Silvester auch überstanden. Für mich hatte der Jahreswechsel keinen Reiz. Denn es war so wie du es gesagt hast. Es begann das erste Jahr ohne ihn. Es wird das erste Jahr ohne meinen Mann/besten Freund/engsten Vertrauten sein. Ich habe viel geweint, es hat sich wie ein weiterer Abschied von ihm angefühlt. Ich habe betrauert, dass er weitere so viele schöne und aufregende Momente nicht erleben darf. Er ist sicherllch immer bei uns, aber ich würde so gern meine Glücksmomte real mit ihm teilen.
Doch ich weiß, dass er mich begleitet und irgendwie dabei ist. Aber vor allem weiß ich, dass er sich wahnsinnig darüber freuen würde, dass ich so viele schöne und glückliche Momente habe. Auch wenn ich mich oft noch selbst daran erinnern muss.
Aber deine Artikel helfen dabei. DANKE!
Steffi
Mein erstes Weihnachten und mein erstes Silvester ohne meine geliebte Frau.
Ich bin wie gelähmt, verkrieche mich zu Hause und hasse das neue Jahr jetzt schon.
Nie werde ich mit ihr darüber reden können und es hält keine neuen gemeinsamen Erinnerungen bereit.
Ein Jahr in dem es sie einfach nie geben wird.
Alle sagen, Du hast sie ja im Herzen bei Dir.
Hab ich auch…und wie…aber kann das Ihre Gegenwart ersetzten.
Mit ihr zu sprechen, sie zu sehen mit allem was dazu gehört…Stimme, Gestik, Mimik, Geruch, Berührungen, das kann das Herz und die schönen Erinnerungen nicht ersetzen.
Ich halte das kaum aus.
Lieber Stefan,
habe eben den Artikel und alle Kommentare gelesen. Deiner ist jetzt 5 Jahre her und ich hoffe, dass es dir inzwischen besser geht und sich dein kaum aushaltbarer Schmerz wandeln konnte in etwas sanfteres und aushaltbares oder vielleicht sogar wieder schönes!
Liebe Grüße!
Andrea