Wie du aus meinem Beitrag über Hochsensibilität vielleicht erinnerst, bin ich keine Freundin von Begriffen, die mir dabei helfen sollen, mich irgendwo einzuordnen. Zugleich helfen diese Konzepte häufig, sich selbst ein wenig besser zu verstehen und auch zu erfahren, dass wir mit dem, was wir erleben, nicht alleine sind. Worte, die eine Brücke bauen können in einem Versuch, das zu erfassen, was in Worten gar nicht erfasst werden kann.
In letzter Zeit begegnet mir der Begriff der „Nahtoderfahrung“ an jeder Ecke. Irgendetwas hat er wohl mit mir zu tun, wenn auch vielleicht nur für den Moment. Kurz nach Julians Tod hatte ich mich bereits damit beschäftigt. Damals mit der großen Frage, wo Julian nun ist und was von ihm wohl bleibt. Aufgesogen habe ich diese Berichte auf der Suche nach einer Bestätigung für das, was ich in den Tagen nach seinem Tod für mich erfahren hatte. Gewissheit wollte ich bekommen darüber, dass seine Seele noch weiter existiert, dass nun nicht alles von ihm verschwunden ist.
Gewissheit, die ich doch in Wahrheit längst in mir trug.
Aber mein Verstand, der wollte Beweise. Jemanden, der ihm sagte: „Du wirst nicht verrückt. Alles ist in Ordnung mit dir. Und Julians Seele ist tatsächlich noch da.“
Und dann war da noch etwas anderes. Ich erkannte mich wieder in den Geschichten und Gefühlen der Nahtoderfahrenen. Ich begriff im tiefsten Inneren, wovon sie sprachen und fühlte mich verstanden. Damals begriff ich noch nicht warum. Vielleicht wollte ich es nicht wahrhaben. Vielleicht war es zu groß, um all das gleichzeitig zu erfassen. Julians Tod, all die Veränderungen in meinem Leben und dann auch noch so etwas „Abgehobenes“ wie eine Na(c)htoderfahrung? Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich nicht einmal das Wort gekannt, mir keine Gedanken darüber gemacht, wie es nach dem Tod wohl weitergehen würde.
Erst als die Trauer selbst in den Hintergrund trat, begriff ich ganz langsam, welch spirituelle Krise diese Erfahrung in mir ausgelöst hatte. Ich habe in Nepal kurz nach seinem Tod eine so tiefe, allumfassende Liebe erfahren dürfen. Alle Begrenzungen hatten sich für einen zeitlos langen Moment aufgelöst und der Unendlichkeit Raum gegeben. Einssein. Tiefes Wissen. Endlose Liebe.
Und dann hatte ich wieder zurückgehen müssen. Zurück in ein Land, in dem man über diese Dinge nicht spricht. Zurück in ein Land, in dem Erfahrungen wie diese kaum einen Platz haben. Zurück in einen Körper, der all dies noch nicht wusste. Mitten hinein in eine tiefe Krise und große Verwirrung über das Leben.
Ich entdeckte diese tiefe Sehnsucht in mir. Eine Sehnsucht nach diesem einen Moment, in dem Julian bereits tot gewesen war. Wie konnte ich mich dorthin sehnen und nicht in die Zeit, in der er noch gelebt hatte? Wem konnte ich davon erzählen, wer würde mich auch nur ansatzweise verstehen können?
Ich habe kein Licht gesehen und auch keinen Tunnel. Ich war selbst dem Tod nicht nah. Es gab keine Rückschau auf mein Leben und auch kein Betrachten meines eigenen Körpers von oben. Eigentlich habe ich gar nichts gesehen. Ich habe die Unendlichkeit erfühlt und erfahren. Als hätte Julian mich von der anderen Seite aus ein Stück mitgenommen. Es war nur dieser eine Moment, in dem für immer alles klar war.
Nahtoderfahrung? Nachtodkontakt? Spirituelle Erfahrung? Erleuchtung? Begegnung mit dem Tod?
Vielleicht braucht es keinen Namen. Vielleicht ist es einfach, was es ist. Diese eine Erfahrung, die mein Leben verändert hat.
Diese eine Erfahrung, die mir dabei half, mich zu erinnern. Daran, dass der Tod nicht das Ende ist. Die Geburt nicht der Anfang. Und an diese Liebe, die mit Worten nicht erfasst werden kann.
Ganz wundervolle Gespräche zu diesem Thema gibt es auf Thanatos TV, wo es Anfang September ebenfalls ein Interview mit mir zu sehen geben wird. Die Seite und den Youtube-Kanal möchte ich dir schon heute sehr ans Herz legen.
Ausführlicher habe ich meine Erfahrung und meinen persönlichen Weg damit in meinem Buch „Zwischen den Welten“ beschrieben.