Die Natur als Kraftquelle zu entdecken, Bäume umarmen, so genanntes „Waldbaden“ ist heutzutage sehr im Trend. Es ist schön, dass es diese Angebote gibt. Auch ich durfte und darf es teils ganz neu lernen, was es bedeutet, wirklich in die Natur zu gehen. Etwas belustigt habe ich meinen eigenen Beitrag über das Umarmen von Bäumen von vor zweieinhalb Jahren noch einmal heraus gekramt.
Heute geht es mir allerdings nicht darum, lustig zu sein. Ich möchte auch nicht allein von der tollen Kraftquelle Natur schreiben. Nicht von der Natur als Naherholungsgebiet, als Freizeitaktivität oder Anti-Stress-Therapie. Der Wald ist mehr als ein Ausflugsziel bei gutem Wetter. Wenn wir den Bäumen zuhören, dann können wir erfahren, was sie brauchen. Sie können uns erzählen, wie wir gemeinsam mit ihnen weiterleben können.
Ich schreibe davon, weil mich ein Baum darum gebeten hat. Ich wohne mittlerweile auf einem Hügel umgeben von Wald. Ein paar Schritte aus der Haustür und ich bin mitten unter Bäumen. Eine Zeit lang habe ich es kaum geschafft, hinaus zu gehen. Jedes Mal, wenn ich im Wald war, habe ich geweint. Geweint über das, was wir als Menschen – mich selbst eingeschlossen – den Bäumen antun, wie wir gegen die Erde arbeiten. Manchmal habe ich mich den ganzen Weg lang nur entschuldigt. Ich konnte es kaum ertragen, in diese Verletzung hinein zu spüren. Es ist nicht bloß eine Verletzung der Erde oder der Natur, die außerhalb von uns ist, sondern eine tiefe Verletzung unserer Selbst. So jedenfalls fühle ich es.
Irgendwann schaffte ich es, inmitten meines Schmerzes, wieder hinzuhören. Ich fand einen Platz mit mir vertrauten Bäumen und ich lauschte, was sie mir zu sagen hatten. Ich fragte, was ich tun kann. Und ich fühlte Dankbarkeit. Ich erfuhr, dass sie gesehen werden wollen. So wie wir alle gesehen werden möchten. Gesehen im Schmerz, aber vor allem auch in der Kraft, im Leuchten, im Dasein. Bei meinen letzten Waldbesuchen habe ich mich bedankt, dass sie weiterhin dort stehen. Jedes Jahr weiter wachsen, neue Blätter austreiben, immer wieder für das Leben da sind. Manche erzählten mir von der Freude am Leben, davon wie wichtig es ist Hoffnung zu haben und zu wissen, dass eine andere Zeit kommen wird. Dass es noch nicht zu spät ist.
Einer von ihnen sprach weniger hoffnungsvoll. Jedes Mal, wenn ich dort bin, möchte er von mir wissen, ob ich den Menschen bereits erzählt habe, wie aussichtslos es ist. Und wie aussichtslos es bleibt, wenn wir alle gemeinsam wegsehen. Ich sagte ihm, dass ich Angst habe und er erinnerte mich daran, dass mir die Angst bisher immer den Weg gezeigt hat.
Deshalb ist es heute meine Einladung, eher ein Appell an dich, wenn du das hier liest: Geh und lausche den Bäumen. Sie stehen auf der gleichen Erde wie wir. Sie tragen das alte Wissen in sich. Sie sind verbunden mit der Erde und dem Leben. Vielleicht sind es auch andere Pflanzen oder Tiere, mit denen du dich verbundener fühlst. Egal wo es dich hinzieht, geh hinaus. Nicht einfach so, nicht bloß um für dich etwas zu nehmen. Sondern auch um hinzusehen. Wirklich zu sehen. Und zuzuhören. Und dann lass uns zusammentragen, was wir erfahren haben. Was die Bäume, Pflanzen, Tiere, was Mutter Erde uns zu sagen hat. Womöglich sind es Antworten, die wir im Labor, in Diskussionen, in unseren Häusern nicht bekommen können. Antworten auf das Leben selbst.
Bist du dabei?