Seit meine drei Kinder (11,16,18 Jahre ) zu Hause sind kamen einige Trauerwellen über mich, über meine Kinder, über uns gemeinsam…
Paulina, 16 trauerte intensiv um ihre verloren gegangene Spanienfahrt, auf die sie sich gefühlt seit der Wahl für Spanisch in der 7. Klasse gefreut hatte. Das Abitur meines Sohnes Jonas wurde verschoben und ganz nebenbei wurde schon mal alles abgesagt, was wirklich Spass macht: Abiturfeiern, Reise nach Amsterdam mit den Freunden, er verlor seinen Minijob im Sportgeschäft. Seine Freundin lebt über der Grenze in der Schweiz und sie können sich nicht sehen. Ihm geht außerdem ab: seine BigBand, sein geliebtes Handballtraining, ihm fehlen die Kontakte, sein freiwilliges soziales Jahr in Afrika steht jetzt vielleicht auch noch auf der Kippe.
Miriam, 11 Jahre, hat keinen einzigen Kontakt zu Gleichaltrigen seit 6 Wochen. Es wurde gleich zu Beginn in der Nachbarschaft signalisiert, dass man sich nicht mehr annähern möchte, dass die Kinder aus der Nachbarschaft bei sich blieben. Ende an der Gartenlinie. Der Landschulaufenthalt für September wurde schon jetzt abgesagt. Puh! Das tut weh.
Selbst in der Familie hieß es an den beiden Geburtstagen meiner Töchter im April : Wir kommen nicht ehe das Ganze über die Bühne ist.
Ich frage mich wie groß der Gehorsam in Deutschland ist? Man wusste doch gar nicht wie lange es dauern wird, aber man hat sich gleich zu Beginn eingerichtet in einer Burg, die verschlossen wurde. Ich habe den Mut, auch weiterhin meine Mutter, 86, zu besuchen, selbst wenn es meinem Bruder nicht gefällt.
Es macht mich tief traurig, dass sich eine neue Spaltung vollzieht. Anders Denkende werden als Gefahr fürs Volk, als Verräter, angesehen. Ich spüre deutlich wie sich da ein Krieg zwischen den Fronten auftut. Da möchte ich nicht mitspielen. Deshalb gehe ich nur noch in Notfällen, also wenn der Kühlschrank vor lauter Leere schreit, einkaufen. Ich muss erst gänzlich in Frieden kommen mit der Maskenpflicht, sonst kann ich nicht dort hin, wo sie sich gerade bekriegen mit Blicken und Vorwürfen aus Hysterie. Wer hustet, schießt.
Nein, ich verkrieche mich, wie damals in der Trauer. Ich möchte nicht auch noch durch meine Wut über diesen Zustand zur Spaltung beitragen. Ich möchte in Frieden kommen und ins Gespräch kommen. Dazu brauche ich viel Ruhe und Stille. Ich traue mich erst wieder unters Volk, wenn ich meine Wut in Liebe gewaschen habe. Bis dahin hoffe ich auf Zeiten und Läden, wo ich fern von Kriegsschauplätzen meine Habseligkeiten ergattern kann. Der Kühlschrank schreit danach.
Zum grossen Glück habe ich eine Freundin, die keine Angst hat. Dort stand ich vor kurzem heulend an ihrer Haustüre und sie hat mich reingelassen und wir sind uns in die Arme gefallen, lang und innig. Dann haben wir eine gefühlte Stunde, während sie das Mittagessen zubereitete, alles klar gemacht, was wichtig war und wir sind lachend wieder auseinander. Das war bisher die wichtigste Stunde meiner Corona-Zeit. Es lebe die Umarmung, es lebe die Nähe. Öffnet endlich die Türen, die Türen zu jeder Kirche, öffnet eure Gärten, damit wir wieder feiern können, öffnet die Schulen, öffnet eure Herzen.
Möge der Menschenverstand und die Liebe siegen.
(Erzählt von Ursula)
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Beide Geschichten berühren mich sehr. Es ist einer der grausamsten Aspekte dieser Zeit, dass wir einander alleine lassen sollen. Mit unserem Kummer, unsren Zweifeln, dem Schmerz, der Wut. Wir sollen nicht feiern, uns nicht freuen.
Wir müssen besorgt sein, Angst haben, aufpassen.
Ich kann einfach nicht glauben, dass es richtig ist, die Alten, die Kranken, die Schwachen alleine zu lassen. Dass jeder nur nach sich schaut. Denn das ist eine Entwicklung, die sowieso schon lange um sich greift. Jetzt wird sie auch noch staatlich verordnet. Meine Hoffnung ist, dass immer mehr Menschen bemerken, wie sehr wir einander brauchen, dass es wunderbar ist, sich nah zu sein, auch physisch, welch ein Geschenk eine Umarmung sein kann.
Welche Freiheit in der Bewegungsfreiheit liegt.