Bitte entschuldige meine heutige Wortwahl. Aber wie sonst soll ich diesen Schmerz beschreiben? Es tut einfach scheiß weh. Nicht immer gleich stark, natürlich. Aber wenn ein lieber Mensch uns verlässt, dann ist das schmerzhaft. Für mich war das jedenfalls so. Ein tiefer, scheinbar bodenloser Schmerz. Ein Schmerz, der in Wellen meinen ganzen Körper erfasste. Ein Schmerz, wie ich ihn zuvor nicht kannte. Und selbst wenn eine Welle abgeebbt war, blieb stets ein dumpfer Schmerz zurück. Anfangs dachte ich, ich könnte diese Schmerzwellen nicht überleben. Wie sollte das gehen? Es tat zeitweise so weh, dass ich dachte, ich müsste im nächsten Moment selbst sterben, weil ich es nicht mehr aushalten würde. Und wieso musste das überhaupt so scheiße wehtun, womit hatte ich das verdient? Wieso wurde es nicht weniger, sondern nach den ersten Wochen oder Monaten sogar noch mehr?
Vielleicht kennst du das Gefühl. Diesen Schmerz, der alles andere ausblenden lässt, der dich für Minuten nichts anderes fühlen lässt. Der dich zusammenkrümmen lässt, ein innerer Schrei, ein verzweifelter Kampf. Meistens wusste ich nicht einmal wirklich, gegen was ich da kämpfte. Ich wollte das nur einfach nicht fühlen müssen. Ich wollte das nicht aushalten müssen. Doch mir blieb keine andere Wahl. Julian war gestorben und alles an mir schmerzte.
Wieso schmerzt Trauer manchmal so scheinbar unerträglich? Ich stellte es mir ein bisschen so vor, als wäre ein Stück meiner Seele abgerissen worden, So fühlte es sich an. Dort, wo wir verbunden waren, war etwas abgerissen worden, dort klaffte eine offene Wunde. Wäre es ein abgerissenes Bein gewesen, hätte ich verstanden, dass es wehtut. Dann hätte es auch jeder sehen können und ich hätte wohl ganz selbstverständlich Zeit zum Heilen bekommen. Doch dies war eine unsichtbare Wunde. Tief in mir drin blutete es und ich wusste nicht, was ich tun sollte, um die Blutung zu stoppen. Es tat weh wie jede Wunde schmerzt.
Schmerz bedeutet auch Heilung. Es hat eine Weile gedauert, bis ich das so sehen konnte. Vielleicht klingt es für dich heute noch wie Hohn. Irgendwer sagte mir nach einer Weile, es seien ebenfalls Wachstumsschmerzen, die ich da spürte. Ich fühlte mich kaum ernst genommen in meinem Leid. Heute kann ich sehen: Es stimmte. Meine Wunden schmerzten, als sie heilten. Und es schmerzte auch noch eine ganze Weile lang, als ich mich daran machte, meinen neuen Platz im Leben zu finden. Später wurden die Schmerzen sanfter. Ich lernte, den Schmerz willkommen zu heißen, irgendwie. Ich lernte, ihn zu fühlen und auf meine Art auszudrücken. Was blieb mir auch anderes übrig? Und doch ist es das Einzige, was wir wirklich tun können: uns dem Schmerz hingeben, den Kampf dagegen aufgeben, dem Schmerz Ausdruck verleihen. Alles fühlen, was da gefühlt werden will. Und zu vertrauen, dass genau in dem Moment Heilung geschieht, auch wenn es sich so unerträglich anfühlt. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass der Schmerz meist kurz bevor er wirklich nicht mehr auszuhalten wäre wieder abebbt. Dass darauf oft Erleichterung folgt. Ein Durchatmen bis zur nächsten Welle. Und vielleicht ist diese schon ein bisschen kleiner als die vorherige.
So möchte ich dir mit diesem Artikel auch sagen: Es tut mir leid, dass du diesen Schmerz fühlen musst, es tut mir leid, wenn es dir gerade so scheiße weh tut und du nicht weißt, wie du es noch aushalten sollst. Ich wünsche dir von Herzen, dass du dich selbst umarmen kannst in diesen Momenten. Oder jemand bei dir ist, der dich hält. Ich wünsche dir, dass du den Schmerz annehmen kannst, dass du deinen ganz eigenen Weg hindurch gehen lernst und Schritt für Schritt Heilung erfährst. Wenn du magst, kannst du deinem Schmerz Worte geben, hier in den Kommentaren, per Mail oder einfach nur für dich in deinem Tagebuch oder als Brief. Damit wird er vielleicht ein kleines bisschen greifbarer. Wie fühlt sich das an bei dir, wie würdest du deinen Schmerz beschreiben, wenn du ihn sehen könntest? Und was hilft dir, wenn er kommt, was hilft dir dabei, ihn auszuhalten?
Über Heilung in der Trauer habe ich hier bereits geschrieben, vielleicht interessiert dich das auch.
Hallo,
bei mir fühlte es sich auch etwa so an, als wäre mein Körper durchgeschnitten worden und als wäre dort eine große Wunde. Das komische war nur, dass keiner die Wunde sehen konnte und alle mich so behandelten, als wäre sie nicht da. Das tat dann noch mehr weh.
Auch heute noch fühlt es sich an, als würde ein Teil von meinem Körper fehlen und der Schmerz ist noch da, aber nicht mehr so stark. Es ist sehr schwer den Schmerz in Worte zu fassen. Ich versuche Worte zu finden, damit ich mit dem Schmerz nicht alleine bleiben muss.
Insgesamt fühlte sich der Schmerz aber immer irgendwie gedämpft an, vielleicht weil ich so geschockt war und der Schock mich beschützte vor den Schmerzen.
Ja, das ist wirklich komisch, wenn da so eine riesengroße Wunde ist und keiner die sieht. So wäre es irgendwie einfacher, wenn man sie auch von außen sehen könnte und sie von allen auch entsprechend ernst genommen würde.
Der Schock wollte dich bestimmt erstmal beschützen vor dem Schmerz, denn der Schmerz ist doch irgendwie kaum auszuhalten. Und dann gab es ja auch nicht so wirklich Raum für dich mit diesem Schmerz, keine Möglichkeit, ihn damals auszudrücken. Ich wünsche dir von Herzen, dass es leichter wird mit dem Finden der Worte dafür, dass der Schmerz nicht weiter so gedämpft sein muss, weil er Ausdruck finden und auch tatsächlich sanfter werden kann, ohne dieses Gedämpftsein.
Liebe Silke,
dieser Schmerz geht über die Grenzen meiner Sprache, meiner Worte, die ich doch so dringend brauche, um gehört, gesehen zu werden… Er ist einfach eine ganz neue Dimension meines Lebens, wie eine Urgewalt, der ich völlig ausgeliefert bin. Und erst wenn ich ihn zulasse, in Kontakt mit ihm gehe, wird es etwas leichter. Ich glaube, dieser existentielle körperlich-seelische Schmerz möchte der Liebe beistehen, so wird er fast fürsorglich. Das so zu schreiben, ist echt schwer, aber so fühlt es sich an. Der Schmerz kann nicht anders. Heute war ich wieder bei meinem schönen, starken Baum. Meinen Schmerz habe ich mitgenommen. Zu Zweit standen wir da an meinen Baum angelehnt und wurden etwas leichter. Danke, deine Worte tun so gut.
Liebe Grüße
Conny
Liebe Conny,
wie schön von dir zu lesen! Du hast so wunderschöne Worte gefunden während du noch davon schreibst, dass der Schmerz über die Grenze deiner Worte hinaus geht. So ein kraftvolles Bild, wie du und dein Schmerz zusammen an deinem wunderbaren Baum steht. Danke dir dafür!
Alles Liebe für dich
Silke
Hallo,
deine Worte beschreiben diesen Schmerz den man fühlt sehr gut. Bei mir ist es meistens Abends wo mich dieser Schmerz wieder packt. Er ist eigentlich nie weg. Seit einen Jahr ist er immer da. Manchmal dumpf wenn man ihn weg drängt weil der Alltag nunmal weiter geht und machnmal so wie jetzt gerade unerträglich. Für mich fühlt es sich an also ob mein Herzen ganz fest zugedrückt wird und kaum noch Luft bekomme. Mir hilft Musik auch wenn sie häufig auch der Auslöser ist, schaffe ich es mit bestimmten Liedern diese Welle des Schmerz einfach solange zuzulassen bis er etwad ab ebt. Das hast du schön beschrieben. Das schwierige für mich ist wenn ich darüber nachdenke. Das Sie tot ist. Eigentlich gibt es nur einen Menschen mit der ich darüber reden möchte, dem ich offen zeigen könnte wie weh es tut. Aber genau diese Person wird mich nie wieder umarmen, nie wieder gemeinsam mit mir singen oder lachen oder auch nur schweigen. Das es eine Zukunt gibt in der sie nicht da ist kann ich selbst jetzt nach einem jahr nicht glauben.
PS: Tut mir leid das ich so viel und persönlich geschrieben habe aber ich habe angefangen zu schreiben nach dem ich den Text oben gelesen habe und das kam dabei raus .
Ich habe nicht das Gefühl das dieser Schmerz weg geht. Es fühlt sich so an als wäre ein Teil von mir zerbrochen. Ich fühle mich so machtlos. Anfangst zählte ich noch die Tage, die Wochen jetzt weiß ich schon garnicht mehr wie viele Monate es her ist. Abends kommt alles hoch und ich fühle mich so einsam, besonders meine Träume lassen mich nicht gut schlafen. Ich weiß einfach nicht mehr weiter…
Ich vermisse ihn so.