Eine Frage, die immer wieder gestellt wird, ist die, wann die Trauer am schlimmsten ist. Gerade hat mich Google darüber informiert, dass sie zu den häufigsten Suchanfragen gehört, über die Menschen meine Seite finden. Das hat mich nachdenklich werden lassen. Ja, wann ist sie denn am schlimmsten, die Trauer? Und vor allem: Warum ist das wichtig?
Wie so oft gibt es keine wirkliche Antwort. Keine, die meinen Verstand zufrieden stellen würde. Wenn wir sie individuell betrachten, dann verläuft Trauer nicht nach einem Zeitplan. Man kann nicht sagen, wann es schlimmer oder besser ist. Der eine erlebt Erleichterung nach dem ersten Trauerjahr, die andere empfindet vielleicht gerade das zweite Jahr auf eine Art schlimmer. So richtig vergleichen können wir es wohl selbst gar nicht. Denn unser Gehirn ist gut darin, Erinnerungen an ganz schlimme Momente in der Vergangenheit verblassen zu lassen. Dann denken wir vielleicht, dass der jetzige Moment der schmerzhafteste ist, den wir je hatten. Aber stimmt das wirklich? Und ist es wichtig? Die Trauer hat mich eines gelehrt: Ich kann mit ihr und dem Schmerz nur im jetzigen Moment sein. Wenn es jetzt besonders schlimm ist, dann ist es hier und jetzt so. Im nächsten Moment kann es leichter sein oder noch schlimmer. Ich weiß es nicht. Es bleibt mir nichts anderes übrig, als genau das zu fühlen, was gerade da ist. Der Vergleich mit früheren Situationen verändert die jetzige Situation nicht.
Häufig kommt dann auch der Vergleich im Außen. Wann ist die Trauer allgemein am schlimmsten? Viele würden darauf antworten, dass der Tod des eigenen Kindes das Schlimmste ist. Doch was bedeutet das für diejenigen, deren Partner/in, Elternteil, Geschwister, engste Freundin oder sonstige nahestehende Person gestorben ist? Hat derjenige weniger Anrecht auf Trauer, weil es sich nicht um den schlimmsten Verlust handelt? Und könnten wir dann nicht einer trauernden Mutter ebenso erzählen, dass es Menschen anderswo auf der Welt im Krieg oder in Hungersnot noch schlimmer haben? Was bringt diese Skala der schlimmeren Trauer uns überhaupt?
Ich persönlich habe sie nie verstanden. Auch wenn jemand mir gegenüber ausgedrückt hat, dass mein Verlust auf irgendeine Art schlimmer sei als der eigene. Wer kann das sagen? Wer kann das beurteilen? Und welche Rolle spielt es, wenn es jetzt gerade doch für jemanden schlimm, traurig, schmerzhaft und schwer ist? Wenn wir Verluste erleben, dann ist das traurig und für uns in diesem Moment so schlimm wie es eben gerade ist. Niemand kann von außen beurteilen, was es für uns bedeutet. Niemand kann eine Prognose über Dauer oder Heftigkeit der Trauer stellen. Niemand kann wirklich eine Skala der schlimmsten Trauer aufstellen, weil wir niemals alle Erfahrungen zugleich machen und vergleichen können.
Und doch verstehe ich die Frage so sehr. Wann ist es am schlimmsten? Wann ist die schlimmste Zeit vorbei? Wie lange dauert Trauer? Fragen, die sich natürlich stellen in dieser Zeit, in der alles so schwer erscheint. Es gibt bloß einfach keine Antwort darauf. Es ist nicht leicht, diese Ungewissheit, all diese Fragen ohne Antworten auszuhalten. Wie schön wäre es, wenn jemand einen Plan hätte. Einen Plan, der uns sagt: Nach so und so viel Zeit ist es nicht mehr schlimm. Und dabei lehrt uns jede Krise genau das: Pläne funktionieren nicht. Jedenfalls nicht in diesen Situationen. Trauer, Gefühle, Schmerzen sind nicht planbar. Das Leben ist nicht wirklich planbar. Zumindest müssen wir jederzeit damit rechnen, dass unsere Pläne durchkreuzt werden. Sich dagegen nicht mehr zu wehren, immer wieder alles abzugeben, was wir glaubten über uns und unser eigenes Leben zu wissen, darin liegt wohl die Kunst des Lebens. Und dann, dann können wir erfahren, dass die Planänderungen des Lebens auch eine ganz unverhofft positive Wendung nehmen können. Ist es dann noch von Bedeutung, welcher Moment des Lebens am Ende der schönste war?
Das also sind meine heutigen Gedanken zu der Frage nach der schlimmsten Trauer. Wie empfindest du es? Gibt es ein „am schlimmsten“? Wenn ja wann oder wie definierst du für dich die schlimmste Trauer? Ich freue mich auf deine Kommentare und Gedanken dazu!