Die Angst vor dem Tod ist eine der größten Ängste von uns Menschen. So groß, dass die meisten von uns eigentlich nicht darüber sprechen, am liebsten gar nicht daran denken mögen. Wenn wir nicht hinsehen und so tun als wäre da nichts, vielleicht geht der Tod dann einfach weg? Zu sterben, das scheint die ultimative Niederlage. Der Tod muss in jedem Fall verhindert werden.
Versteh mich nicht falsch, ich wünsche niemandem den Tod und ich weiß auch um den Schmerz des Verlusts wenn geliebte Menschen sterben. Das ist traurig und schwer und zugleich auch ganz natürlich. So wünsche ich niemandem den Tod, ich wünsche aber auch niemandem, gezwungenermaßen am Leben gehalten zu werden.
Jetzt könnte ich abschweifen und darüber sinnieren, ob das überhaupt möglich ist und ob wir nicht alle einfach genau dann sterben, wenn wir eben sterben. Wenn unsere Seele dem Tod zustimmt. Ganz unabhängig davon, was wir vielleicht als Mensch davon halten.
Aber darum geht es mir heute nicht. Es geht mir um die Frage, was uns überhaupt so große Angst vor dem Tod macht. Wenn ich dahinter blicke und noch ein wenig weiter, dann entdecke ich eine Angst davor, es nicht gut genug gemacht zu haben. Das Leben, meine ich. Es ist so leicht gesagt: Die Angst vor dem Tod ist eigentlich eine Angst vor dem Leben. Aber was bedeutet das?
Mir ist aufgefallen, dass sämtliche Religionen das Leben eher als notwendiges Übel darstellen. Wie eine Prüfzeit, in der es schon Freuden geben kann, aber auch viel Leid. Eine Zeit, in der wir uns gut verhalten und uns Mühe geben sollten, damit wir danach aufgenommen werden in den Kreis derer, die gut genug waren, um im Himmel zu sein, Erleuchtung zu erlangen oder wenigstens ein besseres nächstes Leben.
Puh. Das ist ganz schön anstrengend. Und vielleicht noch umso schwerer zu erfüllen, wenn wir uns eigentlich bereits von der Religion abgewendet haben, die tiefen Programmierungen daraus aber noch immer in uns wirken. Dann ist da zwar dieses Gefühl, es irgendwie für irgendwen oder irgendwas richtig machen zu müssen, es gibt aber kein klares Bild dazu, was dieses „Richtig“ eigentlich sein soll. Es gibt niemanden, der uns führt durch diese Zeit, der uns die Regeln zeigt, an die es sich zu halten gilt.
Umso schwerer auch, weil es meist unbewusst geschieht.
Was macht Angst an dem Gedanken, morgen womöglich nicht mehr da zu sein? Wir hätten keine Kontrolle mehr. Und wir hätten auch keine Zeit mehr, es doch noch irgendwie besser zu machen. Was auch immer das bedeutet. Besser vielleicht für einen Gott oder für die Stimmen, die uns sagen, dass wir es schaffen müssen, unser Leben voll und ganz zu leben, unsere Aufgabe zu erfüllen oder von allen geliebt zu werden.
Habe ich das bereits getan, so gelebt wie ich sollte? War ich denn gut genug?
Der Tod ist das Ende aller Anstrengungen. Das hat etwas Friedliches und aus dem Leben betrachtet auch etwas so Endgültiges. Ich kann dann nichts mehr anders machen in meinem Leben. Ich kann nicht mehr die Dinge aussprechen, die mir eigentlich wichtig waren. Ich kann keine guten Taten mehr vollbringen und selbst zu einem besseren Menschen werden.
Vorbei. Aus. Ende. Was auch immer danach kommt wird mir nur noch zeigen, dass ich es versaut habe. Wie eine Prüfung, die wir nicht wiederholen dürfen.
Und was wenn ich es gar nicht versauen kann? Weil da gar niemand ist, der über mich urteilt? Außer ich selbst? Was, wenn der Himmel in Wahrheit immer schon da ist und gar nicht erst erreicht werden muss?
Was bleibt dann noch an Angst vor dem Tod, wenn ich mir erlaube, unperfekt zu leben? Mit all meinen Unzulänglichkeiten, Fehlversuchen und dunklen Seiten? Mit all dem, was ich niemandem zeigen will und doch selbst immer sehe? Was bleibt, wenn alles genau so sein darf wie es ist, weil da niemand ist, der mich dafür strafen würde?
Ich glaube, dann kann ich jederzeit sterben und ganz okay damit sein. Dann kann ich womöglich auch jeden Tag leben und genau damit ebenso okay sein. Weil alles immer einfach nur so ist wie es ist und ich zu jeder Zeit genau so gut bin wie ich bin.
So viel zu meiner Beobachtung. Wie ist es bei dir? Was schwingt in dir, wenn du in die Angst vor dem Tod hinein spürst? Ich freue mich über einen Kommentar von dir, wenn du magst.
Foto: pixabay
Liebe Silke,
nach langem Nachdenken: mir macht die Angst vor dem Tod, dass sich irgendwann Niemand mehr an mich erinnert. Dass ich keine richtigen Spuren hinterlasse, quasi gehe und keiner merkt es…zu erkennen, dass es (natürlich!!) auch ohne mich geht. Dabei geht es natürlich ohne mich. Loslassen…in lieben Gedanken…Barbara
Liebe Barbara,
danke dir für deinen Kommentar. Was würde es denn bedeuten, wenn da keine Spuren bleiben? Für mich fühlt es sich beim Lesen so an als würde es das ganze Leben in Frage stellen und dann doch auch wieder dahin führen. Eine Angst, im Leben keine oder wenig Bedeutung zu haben?
Ganz liebe Grüße
Liebe Silke, ich glaube es ist beides: es stellt das Leben in Frage, aber macht auch auf die Bedeutung des Lebens aufmerksam. Das Leben in Frage stellen hat auch was von ins Leben führen: wie soll mein Leben sein?
In mir ist heute ein sehr besonderer Satz angekommen:
Wenn ich mich selber liebe und mit dem Leben verbinde, kann ich auch andere lieben und diese Liebe darf dann auch wieder von anderen Menschen zurückkommen und ich darf die Liebe von anderen Menschen annehmen- wie ein Kreislauf. Immer gut behütet, denn im Vertrauen auf das Leben.
Ganz liebe Grüße zurück