Was sind das für Zeiten. Ein kleines Virus hat sich aufgemacht, die Welt zu erschüttern. Viel wird geschrieben und geredet über Fallzahlen, Maßnahmen, Prognosen. Viel wird geschimpft. Auf die, die zu viel Angst verbreiten. Auf die, die es nicht ernst genug nehmen. Auf die Politik, die es auf irgendeine Art und Weise versaut hat. Auf die, die unsere Supermarktregale leer kaufen oder nicht genug Abstand halten. Das, was da gerade im Außen geschieht, triggert in jedem von uns etwas anderes. Und manchmal ganz viele Dinge gleichzeitig. Ängste, Sorgen, Wut, Ärger, Traurigkeit, Einsamkeit. Ein Gefühl der Bedrohung und des Ausgeliefert-Seins. Angst vor der Krankheit genauso wie Angst vor Einschränkung der eigenen Freiheit. Alte Geschichten, uralte Themen, die womöglich genau jetzt angesehen werden möchten. Letztlich scheint es die Angst vor dem Tod, die uns lähmt und die fast automatisch den Verstand allein die Kontrolle übernehmen lässt. Kontrolle, die es nicht wirklich gibt. Um eine Sicherheit herzustellen, die es ebenfalls so nicht gibt. Das Leben präsentiert sich uns in all seiner wilden Unplanbarkeit in diesen Tagen. Bei allem Wissen wissen wir eigentlich nichts.
Was wäre, wenn wir in dieser Krise nach innen gehen? Was gibt es dort zu sehen, zu fühlen?
Was wäre, wenn wir all die Ängste, Sorgen, Wut, die Traurigkeit, Einsamkeit und alle Gefühle, die eben gerade da sind, fühlen würden? Was wäre, wenn wir den Moment nutzen, um ganz in die Tiefe zu gehen? Mein Gefühl sagt mir, dass es dort vieles zu ent-decken, den ein oder anderen Schatz zu bergen gibt. Mein Gefühl sagt mir, dass diese Situation auf eine Art ein großes Geschenk sein könnte.
Ein Geschenk, das nicht auf den ersten Blick zu erkennen ist. Zu einladend ist es, ganz im Außen zu bleiben. Nachrichten zu verfolgen, schließlich ist es doch wichtig, informiert zu sein. Horrorszenarien, Existenzängste, Todesängste. Meinungen von diesem und jenem Experten, die uns sagen wie wir uns nun zu verhalten haben und was uns angeblich erwarten wird.
Aber was ist in dir? Was macht es mit dir? Wie fühlt es sich in dir an? Was fühlst du in deinem Körper? Und was hilft dir, wenn alles um dich herum und in dir drin wegzuschwemmen droht?
Ich sage nicht, dass das Außen komplett egal ist oder wir unseren Verstand abschalten sollen. Ich sage, dass ich es für wertvoll halte, wenn wir uns nicht allein in den Kopf flüchten. Ich zumindest habe das in der Vergangenheit oft genug gemacht und selten Lösungen oder Heilung darin gefunden.
Teile gerne hier in den Kommentaren, was du fühlst und was dir hilft. Vielleicht liest es jemand und kann in dieser Zeit etwas für sich daraus mitnehmen.
Ich wünsche uns allen Kraft in diesem Sturm. Mögen wir Menschen uns auf das Wesentliche besinnen. Mögen wir die Chance inmitten dieser Krise erkennen.
Ahey.
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Liebe Silke,
du stellst Fragen, schreibst im Konjunktiv, lenkst die Aufmerksamkeit nach innen.
Du regst an, inmitten dieser Krise Chancen zu erkennen.
Aber in diesem Zusammenhang von GESCHENK zu sprechen? Sogar von einem großen?
Es ist wahrlich kein Geschenk, auf einer Intensivstation zu liegen,
kein Geschenk für all die Engel, die in den Krankenhäusern arbeiten,
auch kein Geschenk für die geschätzt 1,5 Mio Menschen, die jetzt einen Antrag auf
Grundsicherung stellen müssen,
auch kein Geschenk für Obdachlose, die nicht zu Hause bleiben können …
Liebe Grüße
Orit
Ja, von „Geschenk“ zu sprechen ist irgendwie skurril in dem Ganzen. Es war das Wort, das mir beim Schreiben kam. Ich habe mich vor allem auf die eigene, innere Auseinandersetzung eines jeden Einzelnen bezogen. Darauf, dass zumindest für einige gerade mehr Zeit da ist, dass es sich wie ein großes Innehalten anfühlt.
Weil ich in mir all die Ängste spüre in diesen Tagen und bemerke, dass wenn ich tiefer tauche, wenn ich mich nicht so sehr im Außen verliere, sondern nach innen gehe, dass es dann für mich tatsächlich ein Geschenk ist. Ich wünsche niemandem, auf der Intensivstation zu liegen und ich weiß um die Existenzängste, Einschränkungen und Sorgen, die all das mit sich bringt. Ich wünsche mir von Herzen, dass es etwas aufrüttelt in dem wie wir leben. Ich spüre einfach, dass es so nicht weitergehen kann. Und dass sich jetzt in Anbetracht dieser Krise sehr viel von dem zeigt, was zuvor bereits da war.
Alles Liebe
Silke
Liebe Silke,
danke!!!
Danke für Deine beiden Bücher und danke für Deine Gedanken. Danke für das wunderbare Formulieren von Gefühlen und Situationen. Danke, dass Du mit Deinem Erlebten zu uns kommst und teilst.
Heute wäre mein Mann Markus 54 Jahre alt geworden. Es ist ein furchtbarer Tag. Sein 1. Geburtstag ohne ihn. Am 14.07.19 wurde er mir bei einem tragischen Unfall genommen.
Ich muss egoistischer Weise zugeben (und hoffe nicht verurteilt zu werden), dass die Umstände die Corona mitbringt mir gerade zu Gute kommen. Nach Markus Tod habe ich mir gewünscht, dass die Welt stehen bleibt. Jetzt ist sie zumindest etwas verlangsamt, und ich bekomme die Chance den Rückstand eventuell etwas zu verringern. Vielleicht ist es aber auch nur Wunschdenken. Tatsache ist, dass ich für das fröhliche Frühlingserwachen da draussen noch nicht bereit bin. Jetzt wird es etwas verschoben.
Natürlich sind das Virus und die Auswirkungen dramatisch. Darüber müssen wir nicht sprechen und ich möchte den Zustand auch nicht verharmlosen. Aber ich denke auch, dass es eine Chance ist über das eigene Leben nach zu denken. Manche werden diese Chance ergreifen, manche leider nicht.
Komischerweise denken viele, dass es mir wegen der momentanen CoronaMassnahmen noch schlechter gehen muss. Wahrscheinlich, weil es ihnen auch schlecht geht und sie sich gerade wieder an mich erinnern.
Ich kann nur sagen, NEIN! Es geht mir nicht schlechter. Es kann mir ja nicht schlechter gehen. Markus ist immer noch tot. Die Trauer ist ja nicht auf einmal weniger oder weg, nur weil Corona da ist.
Heute vor 7 Jahren hat sich Dein Leben schlagartig verändert.
Du kennst mich zwar nicht, aber danke, dass Du mittlerweile Teil meines Lebens bist Silke.
Danke, dass Du Hoffnung gibst!
Liebe Grüsse
Viola
Danke dir für deinen Kommentar, liebe Viola.
Darüber habe ich auch schon nachgedacht, dass es nun zum weltweiten Stillstand oder zumindest Verlangsamung kommt und ich mir das damals, nach Julians Tod, irgendwie gewünscht habe. Ich finde es nicht egoistisch, sondern sehr verständlich, dass dir dieser Gedanke nun kommt. Deine Welt steht sowieso still und nun geht es ganz vielen Menschen gleichzeitig so.
Ich wünsche dir von Herzen alles Liebe