Keine Hollywood-Liebe

Es ist eine so wunderbar romantische Geschichte. Die junge Frau, deren Lebensgefährte stirbt. Ihre Welt zerbricht, sie versinkt in Trauer, während sie doch zugleich auch die Verbindung und Liebe weiter spürt, seiner Seele an seinem toten Körper begegnet. Das Feuer für ihn entzündet und ihm hilft von dieser Welt zu gehen. Sie ist noch so jung und zunächst scheint die Hoffnung zu sein, dass sie wieder einen neuen Mann finden kann. Noch einmal neu anfangen. Familie gründen. Doch sie geht einen anderen Weg. Mitten hindurch durch den Schmerz und schließlich in tiefer Liebe zu Julian wieder zurück ins Leben. Ein neues Leben, eins, das auch ihm gewidmet ist. Ein Leben, in dem er seinen Platz behält, als Begleiter auf der anderen Seite.

Das alles ist Teil der Geschichte und zugleich nicht das Ende.

Wenn ich gefragt werde, wie sich die Verbindung zu Julian heute anfühlt, dann versuche ich stets Worte zu finden wo eigentlich keine sind. Ich spreche davon, dass er weitergegangen ist, dort wo er jetzt ist. Und ich gehe hier weiter. Und zwischen uns bleibt eine zarte Schnur als Verbindung. Das klingt schön. Das klingt nach großer Seelenliebe, Seelenverwandtschaft, Seelenpartnerschaft. Und es ist eine Liebe von Seele zu Seele.

Unbewusst erzähle ich auch ein wenig das, was die anderen in dem Moment von mir hören wollen. Das, wovon ich selbst dachte, dass es das Ziel meiner Trauer, dass es mein Weg sei. Inmitten meiner zerbrochenen Welt wollte ich zunächst, dass wenigstens unsere Verbindung, unsere Liebe, unsere Beziehung etwas ganz Besonderes, Einzigartiges ist. Und das ist und bleibt sie auf eine Art auch.

Doch die Wahrheit wie ich sie wahrnehme ist auch: Wir sind alle auf diese Art miteinander verbunden. In jeder Begegnung entsteht eine Verbindung. Verwoben in sanften Energiefäden im Netz des Lebens.

So empfinde ich die Verbindung zu Julian heute für mich nicht mehr als außergewöhnlich. Unsere gemeinsame Beziehung ist ein Abschnitt meines Lebens, an den ich mich liebevoll erinnere. Die Zeit mit ihm liegt hinter mir. Sein Tod ist der Beginn nicht nur eines neuen Lebens, sondern auch eines tiefen Veränderungsprozesses in mir selbst. Er war es, der mir den Blick auf die andere Seite gewährte, mich ein Stück mitnahm zwischen die Welten. Dabei war mein Fokus lange Zeit nur auf ihm. Mit ihm wollte ich in Verbindung sein, ihn wollte ich nicht verlieren. Als könnte ich nicht leben ohne ihn. Bis ich merkte: Da ist ja noch viel mehr. Eine ganze Welt auf der anderen Seite und zugleich mitten um uns herum und in uns drin. Ein Prozess in meine eigene Ganzwerdung, der noch nicht abgeschlossen ist. Eine neue Sicht auf das Leben und den Tod, der Teil davon ist. Ein Prozess, der nichts mehr mit Julian zu tun hat, weil es dabei ganz um mich gehen darf. Tiefe Dankbarkeit empfinde ich ihm gegenüber, dass er mich dorthin geschubst hat.

Mein Leben ihm gewidmet? Nein, mein Leben widme ich heute mir selbst.

Auch eine neue Liebe gab es längst. Eine, die nicht gelebt werden wollte oder konnte, die nicht sein sollte. Eine, von der ich nicht zu schreiben vermochte, weil es zu sehr wehtat.

So hören Hollywood-Geschichten meist an der Stelle auf, an der die Geschichte sich gerade am besten erzählen lässt. Das Leben, das geht derweil immer weiter. Und was eben noch wahr war, kann morgen schon wieder ganz anders aussehen.

Was bleibt, ist immer die Liebe. Die Liebe im Herzen, die Liebe, die uns alle umgibt. Selbst dann, wenn wir sie gerade nicht fühlen können.

Foto: pixabay

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