Wem gehört eigentlich die Asche eines Verstorbenen? Wer ist am besten geeignet dafür, Asche zu befördern?
In Hessen wurde vor einigen Monaten das Bestattungsgesetz insofern verschärft, dass Angehörige die Urne mit der Asche nicht mehr in die Hände bekommen sollen. Auch nicht übergangsweise bis zur Beisetzung auf einem Friedhof. Offensichtlich sind Menschen nicht fähig, sich ordnungsgemäß um die Asche ihrer Liebsten zu kümmern. Bestatter und der Urnenversand der DHL dafür anscheinend schon. Die haben zwar keinen Bezug zum Verstorbenen, aber dafür sind sie umso professioneller in dem, was sie tun. Sie haben quasi den „Urnenrumtrageführerschein“. Also, nicht dass es sowas gäbe, aber so könnte es einem vorkommen. Als müsste man Experte sein, um mit so einer Urne mit Asche umgehen zu können. Die ist zwar manchmal schwerer als erwartet, aber trotzdem nicht giftig oder sonstwie gefährlich. Und wenn es darum gehen soll, sicherzustellen, dass mit der Urne würdevoll im Sinne des Verstorbenen umgegangen wird, dann würde ich das den Angehörigen viel mehr zutrauen als so manchem Bestatter. Dann müsste vielleicht auch erstmal jemand definieren, wie das denn eigentlich auszusehen hätte.
Mir erscheint diese Regel besonders skurril, wenn ich so auf meine Erlebnisse in Nepal zurückblicke. Da ist damals mein Freund neben mir umgekippt. Ich war dabei. Er wurde zum Arzt gebracht, ins Krankenhaus, reanimiert, für Tod erklärt. Auch da war ich dabei. Einen Tag später habe ich seinen toten Körper noch einmal gesehen und dann selbst das Holz angezündet, auf dem er verbrannt wurde. Ich war die gesamte Zeremonie und bis das Feuer so ziemlich runter gebrannt war dabei. Immer an seiner Seite. Ich wusste immer, was mit ihm geschieht. Ich hatte die Ehre, ihn von dieser Welt zu begleiten. Und am nächsten Morgen habe ich dann gemeinsam mit meinen dortigen Freunden seine Asche an der Feuerstelle eingesammelt. Ganz ohne Bestatter, die es dort gar nicht gibt. Einfach Asche in einen Behälter getan. Diesen Behälter habe ich daraufhin eineinhalb Tage lang mit mir herumgetragen. Immer ganz nah bei mir. Ich hätte mir alles abnehmen lassen, nur nicht den Behälter mit seiner Asche. Bis ich ihn auf der deutschen Botschaft abgeben musste. Denn ich durfte ja keine Asche nach Deutschland einführen. Dort war ich nicht mehr zuständig dafür. Dort ging sie direkt an den Bestatter. Warum noch mal kennt der sich hier besser damit aus als ich?
Es war nicht schlimm für mich damals, nur äußerst skurril. Ich hatte meinen persönlichen Abschied gehabt, die Asche habe ich mehr für seine Familie und Freunde mitgebracht als für mich selbst. Aber was wäre, wenn es mir wichtig gewesen wäre, seine Asche selbst den ganzen Weg bis zu seinem Grab zu behalten, zu tragen, bei mir zu haben? Wieso sollte ich das nicht dürfen?
Schön ist, dass es nicht in allen Bundesländern gleich streng zugeht und es damit immer Wege gibt, wie Wünsche dieser Art doch erfüllt werden können. Und auch für das Verstreuen oder Behalten der Asche gibt es Wege über das Ausland. Schade finde ich, dass es sich dann immer ein wenig „illegal“ anfühlt, auch wenn es das gar nicht ist. Und dass es so viel Unsicherheit schafft darüber, was „man“ denn nun eigentlich darf und was nicht. Und einfach so umständlich ist manchmal.
Für mich habe ich das Thema gelöst, indem ich einfach selbst Bestatterin geworden bin. Damit darf ich auch wieder alles. Da das aber nicht die Lösung für jeden sein kann, braucht es wohl eine Auseinandersetzung mit dem Thema. Jedenfalls dann, wenn sich etwas ändern soll. Schön wäre es doch, wenn jede und jeder den Abschied haben könnte, der ihm oder ihr entspricht. Und der dann auch für den weiteren Trauerweg nachwirkt. Mal ganz abgesehen davon, dass die meisten Menschen hierzulande sowieso die Asche gar nicht bei sich zuhause haben wollen.
Wie ist das für dich? Was hättest du gerne selbst gemacht, wie hättest du dir den Umgang mit der Asche deines Verstorbenen gewünscht (wenn es denn eine Feuerbestattung gab)? Und wie könntest du es dir in Zukunft vorstellen, auch für dich selbst?
Das muss sich ja schrecklich für Dich in Nepal angefühlt haben 😔 Danke fürs Teilen Deiner Geschichte und dieser Informationen.
Es war schrecklich, dass er einfach gestorben ist. Was ich dann in Nepal erleben durfte im Umgang mit dem Tod war sehr heilsam und ein Geschenk für mich, für das ich damals schon dankbar sein konnte, mitten im Schmerz.
Was ich auch schon immer sehr skurril fand:
Offensichtlich wird uns zugetraut, würdevoll genug mit Kindern oder kranken Angehörigen umzugehen. Nur bei der Asche ist uns „Normalos“ auf einmal nicht mehr zu trauen!
Gibt es irgeneine Petition oder so was zum Thema? Schade auch, dass hier das Bestattungsgesetz verschärft wurde. Ich hatte bisher oft das Gefühl (allerdings ohne mich wirklich richtig um das Thema zu kümmern), dass die Gesetze eher lockerer wurden: Wiesen auf denen Asche verstreut werden darf, etc.
Liebe Grüße + Danke für deinen Artikel!
Am Freitag, wird meine Frau im Ruheforst beerdigt, ich werde Ihre Urne zum Baum tragen. Das bin ich Ihr und mir schuldig.
Liebe Grüße
… still am Bett des soeben Verstorbenen sitzen dürfen, zusammen mit Angehörigen und Freunden – ohne Zeitdruck seitens der Pflegenden; gemeinsam das Vater-Unser sprechen und etwas singen; Passagen aus dem Johannes-Evangelium lesen; die passende Kleidung auswählen und beim letzten Waschen und Ankleiden mitwirken; den aufgebahrten Leichnam in den drei Tagen erneut aufsuchen können und dabei Veränderungen bemerken; die Aussegnungs- und Bestattungsfeier erleben; beim Einfahren des Sarges in den Ofen letztmals die Wärme spüren, die vom physischen Leib des Verstorbenen ausgeht; die Urne bis zur Beisetzung behalten dürfen; sie am Grab mit Erde, Wasser und Blütenblättern bedecken; eine Abschiedsrede halten. Das und vieles mehr durfte ich als heilsam erleben und wünsche es mir ähnlich auch für meine Angehörigen. Sehr hilfreich war, dass wir vor Sabines Tod immer wieder über ihre diesbezüglichen Gedanken und Wünsche sprechen konnten.
Ob dadurch die Zeit der Trauer weniger lang und/oder intensiv ausfällt, weiss ich natürlich nicht. Aber eine bewusste Auseinandersetzung mit dem Tod als dem Höhepunkt des Lebens erscheint mir höchst zeitgemäß. Dazu trägt auch Dein Blog bei, liebe Silke: Danke!