Es ist ein Gefühl, das ich eigentlich nicht haben möchte. Ja, ein wenig schäme ich mich sogar dafür. Doch es ist da und möchte wie alle anderen Gefühle gefühlt werden. Verachtung. In den letzten Wochen bin ich mir dessen häufig bewusst geworden. Es gibt da einen Teil in mir, der bestimmte Aspekte von mir verachtet. Mitten im Gefühl kann ich es nicht so klar differenzieren. Da verachte ich mich einfach komplett als die Person, die ich bin.
Ich verachte mich dann für all die Dinge, die ich in meinem Leben bisher nicht geschafft habe, obwohl ich sie doch vorhatte. Ich verachte mich dafür, nicht meinem eigenen Bild zu entsprechen, wie ich gerne sein würde. Ich verachte mich für all die vielen kleinen und großen Momente, in denen ich ausgewichen bin. In denen ich nicht zu mir stehen konnte. In denen ich mich untergeordnet habe. Und auch für die Momente, in denen ich andere enttäuscht habe. Nicht für sie da war. Oder ihnen womöglich Schaden zugefügt habe. Ich verachte mich für meine Fehler, meine Schatten und Unzulänglichkeiten. Ich verachte mich als Frau, verachte meine weiblichen Seiten, die oft Chaos, Dunkelheit und manches Mal auch Drama bedeuten. Ich verachte mich dafür, dass ich all das nicht schon viel besser integriert habe. Dafür, dass ich die letzten Jahre nicht so funktioniert habe wie ich wollte. Nicht so gewirkt, nicht so sehr meinem Weg gefolgt bin wie ich es mir vorgestellt hatte. Und vor allem dafür, dass ich mir all diese Gedanken mache, immer wieder auch die Schwere zulasse, wo ich mir doch eigentlich Leichtigkeit wünsche. Dafür, dass ich mich immer wieder ganz klein mache und vor der Welt verstecken möchte. Und für alles, was in diesen Zeiten unerledigt blieb. Ja, wenn ich ganz tief drin bin, dann verachte ich mich dafür, mich selbst zu verachten.
Und dann, wenn ich es fühle, vielleicht sogar ausdrücke inmitten von aller Scham, dann weiß ich, dass es auch eine andere Seite in mir gibt. Dann kann ich mich auch wieder mit den liebevollen Augen sehen. Kann sehen, dass ich zu jeder Zeit immer mein Bestmögliches gegeben habe. Dass ich niemals irgendwem schaden wollte und doch so manches Mal weit über meiner Grenze war. Dass ich einfach gar nicht anders handeln konnte als ich es getan habe.
Dann sehe ich mich selbst, wie ich alles gebe, immer. Wie ich mein Leben lebe, so wie ich es kann. Zu jeder Zeit. Dann sehe ich, welche Verletzungen ich in mir trage, welche Wunden noch nicht verheilt sind. Dann möchte ich mir ein heißes Bad einlassen und mich liebevoll in den Arm nehmen. Mir selbst sagen: „Es ist gut. Genau so wie es ist. Du bist gut. Genau so wie du bist.“
Kennst du das Gefühl? Dich selbst zu verachten? Diese Stimmen, die dir sagen, du seist nicht gut genug und hast womöglich versagt? Und gelingt es dir auch, die andere Sicht einzunehmen? Die Sicht der Liebe?
Bild von zoosnow auf Pixabay. Es zeigt den „Giant Mudfish“. Großer Matschfisch. Ja, irgendwie ist das eine passende Beschreibung für diesen Zustand, in dem ich mich gerne selbst verurteile und verachte.