Bei meiner letzten Lesung haben wir uns im Anschluss darüber unterhalten, ob und wie man das eigene Sterben üben kann. Kann man sich darauf vorbereiten, um dann „besser“ sterben zu können?
Ich selbst habe in meiner Auseinandersetzung mit dem Buddhismus eine dieser Meditationen mitgemacht, bei denen man sozusagen das Sterben übt. Damit man später, wenn es wirklich geschieht, einen klaren Geist hat, damit man weiß was geschieht und keine Angst bekommt. Ich habe Bücher gelesen und mit Menschen gesprochen, die Nahtoderfahrungen hatten. Ich selbst bin auf eine Art ein Stück mit Julian mitgegangen damals, habe Einblicke hinter den Schleier erhalten, Gefühle, Wahrnehmungen, Bilder. Ich wollte wissen, was nach dem Tod geschieht, und habe viele Antworten bekommen. Nicht zuletzt von Julian selbst.
Ich bin in schamanischen Reisen in anderen Welten unterwegs gewesen und in frühere Leben gereist. Und ich bin dankbar für jede dieser Erfahrungen, für all diese Einblicke, die mir gewährt werden, immer wieder.
Und doch. Ich weiß nichts.
Ich weiß nicht, wie es sich wirklich anfühlen wird, wenn ich sterbe. Ich weiß nicht, wie es dann ist genau in dem Moment. Wenn ich jetzt sage, dass ich keine Angst mehr davor habe, kann es trotzdem sein, dass sie mich in dem Moment überfällt. Und wenn ich jetzt Angst hätte könnte es sein, dass sie in dem Moment einer tiefen Ruhe weicht. Wer kann das vorher wissen?
Es ist okay, nicht zu wissen. Denn wir haben die Kontrolle nicht. Wir können die beste Ernährung, die tollste spirituelle Praxis und die gesündeste Bewegung praktizieren, die modernste medizinische Versorgung oder die ältesten Heiltechniken zur Verfügung haben. Wir werden trotzdem sterben. Und wir wissen nicht, wie es sich anfühlt. Das einzige, das wir also üben können, ist in jedem Moment das zu fühlen, was gerade da ist. Schließlich wissen wir auch nicht, wie sich der Tod anderer Menschen für uns anfühlt. Selbst wenn wir bereits einen geliebten Menschen verloren haben, kann es sich beim nächsten vollkommen anders anfühlen. Wir können es nicht wissen.
Meine Vorbereitung auf den Tod besteht also darin zu leben und zu fühlen. Im Hier und Jetzt. Und immer wieder zu üben, mich dem Nichtwissen hinzugeben. Nicht zu versuchen, alles im Griff zu haben, sondern diesen Griff ein wenig zu lockern. Und dann noch ein wenig mehr. Ich vertraue, dass alles so geschieht wie es eben geschehen soll, auch wenn es jetzt gerade wehtut. Und während ich das tue, fühle ich den Schmerz, der jetzt gerade ist. Und dann die Freude, die vielleicht danach kommt. Hingabe ist ein großes, ungewohntes Wort, und doch ist es genau das. Hingabe an das Leben. Mit dem sein, was genau jetzt ist. Und auch genau die sein, die ich bin. Genau das führt mich mitten hinein ins Leben und immer mehr zu mir selbst. Das wiederum, so nehme ich an, wird mich ebenfalls zufrieden machen, wenn ich dann am Ende auf mein gelebtes Leben zurückblicke.
Welche Gedanken hast du zu deinem eigenen Tod? Wie bereitest du dich darauf vor?
Interessante Synchronizität! Gerade vergangene Nacht hatte ich vor dem Einschlafen mal wieder eine dieser Panikattacken, die mit dem Gedanken an das Verlöschen des eigenen Bewußtsein einhergehen. Auch mir ist klargeworden, dass ein „gutes Sterben“ nur dann möglich wird, wenn ich mich vorher mit der Erfahrung von Kontrollverlust noch irgendwie „anzufreunden“ vermag – oder mich ihr wenigstens soweit zu öffnen vermag, dass eben nicht akute Panik und Angstattacken einsetzen.
Abgesehen davon bin ich mir noch nicht mal sicher, ob ich den Gedanken an ein mögliches Fortbestehen eines Ich-Bewußtseins – oder _irgendeiner_ Form von Bewußtsein – als tröstlich empfinde. Offen gestanden: Eher nicht. (eine wachsende Anzahl von Indizien Nahtod- und Nachtoderfahrener sowie Berichte von Sterbebegleitern wie auch ihr Blog hier legen aber nahe, dass Bewußtsein eher ein Kontinuum zu sein scheint denn eine zeitlich befristete Erfahrung; auch dieser Gedanke ist für mich per so noch nicht sofort tröstlich, sorry). Danke für’s Teilen Ihrer Erfahrungen und Gedanken.
Liebe Silke und Leser,
sehr schön formuliert, Silke. Ich kann das sehr gut nachempfinden wie du das beschreibst und möchte deiner Ausführung noch ein Wort „hinzufügen“: Bedingungslosigkeit. Für mich ist der Tod und damit auch mein Tod bedingungslos. Ich kann für mich sagen, dass dieser Gedanke mir sehr schwer fällt, dass man wirklich „seelennackt“ wieder in eine andere Welt eintaucht, aber ohne Bedingungen, damit gibt man auch Kontrolle ab und das empfinden viele Menschen als erst einmal bedrohlich. Das kann ich verstehen.
Eine gute Freundin sagte mal zu mir: „Das Leben endet tödlich- egal wie wir es drehen und wenden.“ Das stimmt und auch wenn die Worte einfach sind und erst mal hart klingen- so ist es und damit auch klar: der Tod ist nicht an Bedingungen geknüpft.
Hallo Silke,
jemand hat mich auf Dich aufmerksam gemacht, dessen Begleitung Du gerade ganz aktuell übernommen hast. Ich bin sehr dankbar dafür, denn das was ich hier von Dir lesen kann ist meinen Gedankengängen zum Thema Tod sehr sehr nah. Ich lese deine Worte mit Tränen in den Augen, aber nicht weil es mich traurig macht, sondern weil meine Seele ausatmen kann. Meine eigenen Erfahrungen mit dem Tod und mein Gefühl der Verbundenheit zu den Naturvölkern, haben mich öfters grübeln lassen, wie sich wohl mein Verlassen aus diesem Dasein anfühlen könnte…Ich stellte mir vor, dass es wie das nächtliche Einschlafen ist…Aber ist es das? Muss ich mir das überhaupt Vorstellen? Ich sehe mein Dasein eher als eine unendliche Reise in den unterschiedlichsten Formen und mit den unterschiedlichen Aufgaben. Für mich das Wichtigste ist eher, meinen Frieden zu finden mit all den Dingen die ich erst mal nicht so toll finde. Alles in unserem Dasein hat einen besonderen Grund und die Sinnhaftigkeit kommt erst nach dem Ereignis, was meinen künftigen Tod miteinschließt. Deine ganz persönliche Geschichte bestätigt mir ebenfalls meine Ansicht. Mein Körper ist nur eine Hülle in diesem Dasein, meine Seele hatte am Tag meiner Geburt, Einzug in „das Haus der Liebe und des Lebens“ genommen. Ein Haus mit ganz vielen Zimmern. Jedes Zimmer steht für einen besonderen Raum, z. B. der Jugend, der Zuversicht, der Angst, des Schmerzes usw. Dann gibt es einen Raum, dieser ist der Größte von allen. Es ist der Saal der Liebe, des Lebens und der Erinnerung. Hier ist der Empfang und die Verabschiedung. Zeit meines Daseins gestalte ich dieses Haus, auch mut all den anderen Seelen denen ich Einlass gewähre. Schlussendlich, ich muss mich nicht wirklich auf meinen eigenen Tod vorbereiten, aber meine Kinder! Meine Kinder und ich haben immer mal wieder dieses Thema und ich spüre ihre enorme Angst davor, wenn ich mal nicht mehr dasein sollte. Sie lieben das Kuscheln, die Gespräche und auch das anecken. Sie fühlen sich sicher so lange ich da bin, aber haben sehr große Angst davor wenn sich das mal ändern sollte. Vor dem Tod selbst haben sie keine Angst, sondern nur davor wenn ich als Mama nicht mehr bin. Das ist etwas das mich sehr beschäftigt. Ich bereite nicht mich vor, sondern eigentlich meine Kinder…