Ach Leben, was für eine Zeit. Was machst du da mit mir, mit uns? Du wirbelst mich umher, schmeißt mich mal hierhin und mal dorthin. Gerade wenn ich denke, jetzt habe ich es kapiert worum es geht, jetzt weiß ich, wer ich bin, zeigst du mir wieder, dass ich gar nichts weiß. Gar nichts und so vieles zugleich. Meine Weisheit gründet auf meinem Nichtwissen. Ach Leben, ich begreife, dass du einfach nur gelebt werden willst. So wie du kommst, so wie du bist. Du willst nicht kontrolliert werden, nicht gefangen sein. Mal willst du dich an mir austoben und mal willst du mich ganz sanft umspülen und umhüllen. Nie willst du mir Böses. Du forderst mich heraus, immer wieder. Nicht weil du mich leiden sehen willst, sondern weil du mich wachsen sehen willst. Vielleicht nicht einmal das. Du willst einfach nur leben und du forderst mich heraus, genau das zu tun: Leben. Nicht mehr und nicht weniger.
Ach Leben, was müssen dich meine Pläne erheitern. Immer wieder denke ich, dass ich weiß, was kommt, dass ich weiß, wo es lang geht. Dann lachst du nur und reißt mich wieder mit. In eine völlig andere Richtung. Nur um mir später zu zeigen, dass alles schon immer so sein sollte, dass genau das der Weg ist, von dem ich immer denke, dass ich ihn erst irgendwie mühsam finden muss. Während ich noch so suche, reißt du mich einfach immer wieder ganz unverhofft mitten hinein in deinen Strudel. Erinnerst mich daran, dass du einfach geschehen willst, aus dem Moment heraus und ohne vorherige Planung.
Ach Leben, du schenkst mir so viel und du nimmst auch einiges. Und doch überwiegen deine Geschenke. Was kannst du mir in Wirklichkeit auch nehmen, mir, der doch gar nichts gehört. Ich bin hierher gekommen, ganz ohne alles. Ich gehe auch wieder ohne alles. Wie könnte ich behaupten, dass du mir auch nur irgendetwas nehmen kannst, wenn du mir doch immer nur gibst? Ach Leben, ich danke dir für jede Sekunde, die ich hier mit dir sein kann.
Ich will mich noch weiter auf dich einlassen. Immer mehr meiner Konzepte loslassen, die mir sagen wollen, wie du zu sein hast. Damit ich dich immer klarer sehen kann, spüren, erleben. Einfach so wie du bist. Ohne Wertung, ohne Kampf.
Liebe Silke,
ein Text der sich sehr verwirrend darstellt, so wie das Leben.
Nach einem schweren, schmerzhaften Schnitt den der Tod meinem Leben zugefügt hat, denkt man erst einmal über Leben nicht nach. Ich konnte mir auch überhaupt nicht vorstellen, das es da überhaupt wieder ein Leben geben wird. Jetzt, nach 15 Monaten, spüre ich wieder etwas vom Leben. Dazu habe ich mir Hilfe gesucht und ich habe sie gefunden und angenommen. Eine ganz tolle Gruppe in dem Trauer Kaffee. Wir unterstützen uns gegenseitig und versuchen die/den Anderen mitzunehmen.
Selbst bin ich Schritte gegangen die ich Anfangs als unmöglich eingestuft habe. Ich war an den Orten wo meine Frau und ich sehr gerne waren. Da habe ich die Erfahrung gemacht wie schön Erinnerung sein kann und wie gut das der Seele tut.
Ich denke, so einen kleinen Zipfel des Lebens habe ich wieder in der Hand. Und je länger ich daran ziehe umso größer wird Dieser. Und bei jedem Schritt in dieses andere Leben, meine Frau ist in mir dabei.
Was dieses andere Leben bringen wird, das weiß auch ich nicht. Aber ich werde immer neugieriger.
Liebe Grüße Andreas
Lieber Andreas,
verwirrend wie das Leben. Ja, so ist es. So fühle ich es zumindest.
Es ist schön zu lesen, dass du diesen kleinen Zipfel Leben nun in deiner Hand hältst und die Neugierde langsam wieder wach wird. Ich wünsche dir, dass du mit dieser neuen neugierigen Haltung immer mehr von diesem Zipfel Leben zu fassen bekommen kannst.
Liebe Grüße
Silke