Für deinen Verlust gibt es keinen Trost

Ein Mensch ist gestorben und das ist einfach nur scheiße. Entschuldige meine Wortwahl heute, aber so ist es. Und dem gibt es auch nichts hinzuzufügen. Egal wie er gestorben ist, egal wie lange ihr euch kanntet und wie viele wunderschöne Momente oder auch schwierige Zeiten ihr zusammen hattet. Dass er jetzt nicht mehr da ist, ist scheiße. Punkt.

Wie gerne würde ich dir etwas positiveres sagen, etwas tröstendes. Ich kann mir vorstellen, dass es den meisten Menschen in deinem Umfeld auch so geht. Das haben wir doch so gelernt: Wenn es jemandem schlecht geht, dann trösten wir ihn und heitern ihn auf. Doch in der Trauer gibt es zunächst keinen Trost. Ich kann dir aus meiner eigenen Erfahrung erzählen, dass es irgendwann leichter wird, dass da auch mal wieder unbeschwerte Momente kommen werden, ja, dass du wieder ein gutes Leben haben kannst. Aber im Hier und Jetzt ändert das nichts an deinem Schmerz, gar nichts. Vielleicht sogar im Gegenteil, vielleicht verschlimmert es den Schmerz noch. Denn wie soll das gehen, es ist unvorstellbar und wäre es nicht auch ein Verrat am Verstorbenen, wenn es dir irgendwann tatsächlich besser ginge? Er ist tot, darf sein Leben nicht weiterleben, wie kann da überhaupt jemand daran denken, dass irgendwas für dich wieder besser werden sollte? Er ist weg, für immer fort aus deinem Leben, wie also soll irgendetwas, das ich dir sage, nun tröstend sein? Ich könnte dir auch sagen, dass ich daran glaube, dass er weiter existiert, dass er nur nicht mehr in dieser Welt ist, körperlich. Aber seine Seele, sein Geist, lebt weiter. Ich könnte sagen, dass es ihm da, wo er jetzt ist, gut geht, er keine Schmerzen mehr hat. Und wer weiß, vielleicht seht ihr euch irgendwann wieder. Doch auch das ist hier und heute kein Trost, denn er bleibt körperlich abwesend. Ja, er bleibt tot. Wie kann es Trost geben, wenn dein geliebter Mensch einfach für den Rest deines Lebens tot bleibt?

Weißt du was? Es ist okay, wenn dich gerade nichts, was andere sagen oder tun, trösten kann. Du musst jetzt nicht positiv denken und sehen, was in deinem Leben trotzdem noch gut ist oder dankbar sein für die Zeit, die ihr gemeinsam hattet. Denn sie war zu kurz, es gäbe noch so viel zusammen zu erleben, zu bereden, zu tun. Der Tod deines lieben Menschen darf alles andere überschatten. Du musst nicht krampfhaft nach einem Sinn suchen, wo gerade keiner ist. Und selbst wenn du irgendwann Dankbarkeit empfinden kannst, wenn dein Leben wieder lebenswert sein sollte, wenn du vielleicht einen Sinn darin entdecken kannst, auch dann darf ein Teil von dir untröstlich bleiben über den Verlust deines lieben Menschen. Denn er fehlt und er wird immer fehlen für dich hier in diesem Leben.

12 Gedanken zu „Für deinen Verlust gibt es keinen Trost“

  1. Liebe Silke

    Vielen Dank für diesen Beitrag und die wahren, unbeschönigenden Worte! Sie sprechen mir aus dem Herzen (habe meinen Mann vor 5 Jahren verloren) und ich habe ganz ähnliche Erfahrungen gemacht.
    Ich finde es toll dass du uns im Thema Trauer so offen teilnehmen lässt.

    Herzlich, Sandra

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  2. Liebe Silke,
    wie immer triffst Du den Nagel voll auf dem Kopf.
    Aus Deinem Text lese ich heraus, dass es Dir in diesem Moment, wo Du das geschrieben hast, Scheiße ging. Ja, es ist eine verdammte Scheiße wenn man einen geliebten Menschen verliert. Einen Trost dafür gibt es nicht. Wie auch? Ich kann mich ja nicht einmal selbst trösten, wie kann ich das dann von den lieben Menschen um mich herum erwarten? Und wahrscheinlich fällt es denen noch viel schwerer, weil sie ja nicht mein Inneres kennen und sehen.
    Das schlimme in der Zeit ist, eine besondere Form des ALLEIN- sein. Es ist keiner mehr da für den Gedankenaustausch vor einer wichtigen Entscheidung, keiner mehr mit dem man über Probleme reden kann und dessen Rat man annehmen kann.
    Du schreibst das es leichter wird und ich glaube Dir das, und manchmal spüre ich es schon.
    Es bleibt aber diese Wut, dass es so gekommen ist wie es ist. Der Tod hat mein Vertrauen zerstört, ein Vertrauen das man nur mit einem ganz besonderen Menschen haben kann.
    Silke, ich danke Dir für Deine ehrlichen Gefühle in Deinen Texten.
    Andreas

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    • Lieber Andreas,
      ja, das macht es wirklich doppelt und dreifach schwer, wenn genau der Mensch, mit dem man sonst über Probleme und Entscheidungen geredet hat, jetzt in diesem Moment, wo genau so ein Mensch doch so dringend nötig wäre, fehlt. Der Mensch, der da fehlt, ist genau der, der uns sonst halten und stützen würde. Mir hat es geholfen, zu erleben, dass ich wenigstens mit meinen schmerzhaften Gefühlen nicht alleine bin. Im Austausch mit anderen Betroffenen fühlte ich mich immer etwas weniger alleine. Und doch, der eine Mensch fehlt und das bleibt scheiße.
      Danke dir, lieber Andreas, für deinen Kommentar und dass du mich und uns an deinen Gefühlen teilhaben lässt.
      Ich wünsche dir viel Kraft weiterhin.
      Ganz herzliche Grüße
      Silke

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  3. Liebe Silke,

    ja, genau so ist es, Danke fürs ganz offen Aussprechen! Das zu lesen, in deiner liebenswerten Direktheit, war sehr entlastend, plumps, ein Stein war weg. Einfach scheiße, genau. Ich frage mich manchmal, warum diejenigen, die das – zum Glück – noch nicht erleben mussten, nicht diese Direktheit fühlen oder zeigen können. Vielleicht weil sie es in seiner Brutalität eben nicht erlebt haben. Du weißt so sehr, wovon du sprichst, und deine Worte tun so gut.

    Liebe Grüße
    Conny

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    • Liebe Conny,
      ich freue mich von dir zu lesen. Danke dir für deinen lieben Kommentar!
      Ja, es ist sicher schwer, das nachzuvollziehen oder auszuhalten in dieser ganzen Direktheit, wenn man es selbst nicht erlebt hat. Überleg mal, wie es dir früher damit gegangen wäre. Also ich habe mir da immer sehr schwer mit getan, ich glaube aus meiner eigenen Angst und Unsicherheit heraus und weil ich eben glaubte, andere aufheitern oder zumindest trösten zu müssen. Vielleicht auch weil ich wirklich glaubte, dass nichts einfach so scheiße sein kann, dass man immer das positive sehen muss, sonst zieht es einen zu sehr runter oder sowas. Dabei ist das Gegenteil der Fall: Wie du auch schreibst ist es so erleichternd, wenn man eben nicht zwingend positiv denken muss. Wenn man nichts schönreden muss, was eben einfach wirklich so gar nicht schön ist. Aber das weiß ich selbst erst seit ich es erlebt habe.
      Liebe Grüße zurück
      Silke

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      • Liebe Silke,
        ich musste ein paar Tage nachdenken… ja, ich glaube, du hast Recht. Ich muss in denselben Schuhen laufen wie andere Menschen, um sie wirklich zu verstehen. Es ist ja sogar auch oft so, dass andere Menschen es am liebsten gar nicht ansprechen, all die Trauer, alle Gefühle, weil sie Angst haben, den sowieso schon so sehr Trauernden zu belasten, dabei ist auch da das Gegenteil der Fall. Schweigen oder sogar „Tot-Schweigen“, was für ein fürchterliches Wort, ist das Schlimmste. Und das sogar gut gemeinte „lieber nicht ansprechen, vielleicht denkt sie gerade nicht daran, diesen schönen Moment wollen wir ihr lassen…“. Auch hier, das Gegenteil, wann denke ich denn gerade nicht daran, ich glaube, nie, nicht wirklich. Ich denke, eine Lösung des Dilemmas könnte in Fragen liegen, einfach fragen, was der andere braucht. Ich war früher zum Glück nicht selbst betroffen und weiß natürlich erst jetzt, wie unbeschreiblich dieses schlimmste aller Gefühle ist. Hoffentlich war ich wenigstens intuitiv genug, zu spüren, was ich tun oder lassen sollte… ich weißt es nicht. Vielleicht hätte ich mal fragen sollen damals.
        Liebe Grüße zu dir
        Conny

  4. Wenn dem Tod ein Weg des Sterbens voran ging, dann ist der Tod nur noch das absehbare Ende. Es ist ein Berggipfel, der schmerzvoll und mit letzten Kräften zu besteigen ist. Ab hier bleiben alle zurück, bis auf jene, die gehen. Der letzte Abschied ist dann nur noch ein Loslassen. Natürlich ist dann nichts mehr wie vorher. Alleine der erkaltende Körper lässt die Zurückgebliebenen spüren, dass da niemand mehr ist. Es bleiben die Erinnerungen, es bleibt die große Leere, ein Loch in der Realität, in das wir immer wieder fallen und fallen. Der Augenblick des Todes meiner Frau wurde von mir als Erlösung empfunden. Der Körper konnte nicht mehr, das Andere aber, fand seinen Weg und durfte heimkehren. Der Tod trat in den letzten Monaten immer wieder an mich heran und wird es auch in diesem Jahr wieder tun. Er ist mir jetzt vertraut. Seine Spießgesellen wie körperlicher Schmerz, Qual und Pein jagen mir Angst ein. Der Tod hat für mich dennoch seine Schrecken verloren. Als Übriggebliebener ist es natürlich schwer und bitter, überhaupt wieder ins Leben zurück zu finden. Aber es hat mich verändert, es hat mich einer anderen Sicht, einer anderen Empfindung zugeführt. Ich habe wieder einen inneren Kontakt gefunden, den ich schon immer kannte, aber gerne mal wieder vergessen habe. Diesen Kontakt zu halten und dann ins Licht zu sehen, gab mir die Kraft, wieder auf die Beine zu kommen. Und ich kann auch wieder lachen, grundlos lachen, nach all den Tränen. Mein Lachen, das mich selbst berührt, ist mehr als jeder Trost.

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