Heute ist der Tag. Dieser eine Tag, an dem mein erstes Buch veröffentlicht wird. Mir ist erst heute wirklich bewusst geworden, wie besonders das ist. Gedacht habe ich es vielleicht vorher, mir ausgemalt wie das wohl sein wird. Aber wie es sich wirklich anfühlt, das konnte ich nicht herbei denken. Das kann ich nur erleben, erfühlen, ganz in diesem Moment an diesem besonderen Tag. Selbst wenn ich 20 weitere Bücher veröffentlichen sollte, keins wird so sein wie dieses eine. Keins wird sich so anfühlen wie dieses. Es ist das erste und es ist ein ganz Besonderes. Zugleich kann ich es noch gar nicht richtig fühlen. Berührt. Bewegt. Durcheinander. Weinen? Lachen? Ja, auch an diesem Ende der Gefühlspalette darf ich mir Zeit nehmen, all das, was da ist zu erfühlen.
Mit dir möchte ich zur Feier dieses besonderen Tages eine Leseprobe teilen. Es ist – mit kleinen Änderungen – der Text, den ich vor ungefähr eineinhalb Jahren an meine heutige Verlegerin vom MASOU-Verlag als Probekapitel geschickt habe. Und jetzt gibt es ein ganzes Buch drum herum. Es ist der Moment, in dem meine Welt zusammen brach. Der Moment, in dem Julian starb. In dem so vieles zerbrach, endete, stehenblieb. Heute kann ich auch sagen, dass es zugleich der Moment meines Lebens ist, an dem so vieles begann. In jedem Fall der Moment, der mein Leben erschütterte, mein Sein ins Wanken brachte und den Anstoß dazu gab, alles völlig neu zu ordnen. Dieser eine Moment. Ohne den ich heute an einer völlig anderen Stelle im Leben stehen würde. Damals undenkbar, doch heute kann ich sagen: Ich bin dankbar, genau an dieser Stelle zu stehen und genau diesen Weg zu gehen. Es ist meiner, mein ganz eigener. Es ist mein Schicksal, mein Weg, mein Platz in dieser Welt. Dieser eine Moment, der so viel Schmerz nach sich zog. Und alles begann an diesem einen Tag in Nepal mit diesem schrecklichen Ende. Die Treppen, von denen im Text die Rede ist, siehst du übrigens auf meinem Buchcover.
Meine Welt bricht zusammen
Aus: „Zwischen den Welten – Eine wahre Geschichte über den Tod, die Liebe und das Leben“
Der nächste Morgen ist herrlich. Julian möchte endlich zur „World Peace Pagoda” laufen. Das planen wir schon seit ein paar Tagen. Von dem Hügel, auf dem sich die Pagode befindet, hat man an klaren Tagen einen herrlichen Blick über den See, die Stadt, das Tal und die dahinter liegenden Berge. Ich war bereits bei meinem ersten Besuch in Pokhara dort oben und erinnere mich an einen ruhigen und schönen Ort. Gerne möchte ich Julian diesen Ort zeigen und doch bin ich an diesem Tag sehr unmotiviert. Wir haben lange geschlafen und es sind bereits erste Wolken aufgezogen, die im Laufe der nächsten Stunden die Gipfel des Annapurna-Massivs, das man von Pokhara aus sehen kann, ganz verdecken werden. Außerdem fühle ich mich noch immer angeschlagen von der Erkältung der letzten Tage, habe die Nacht schlecht geschlafen und mag mich einfach so wenig wie möglich bewegen an diesem Tag. Ich finde, wir können den Ausflug noch einmal verschieben, damit es sich auch wirklich lohnt. Aber Julian lässt sich nicht davon abbringen, er ist an diesem Morgen voller Energie und Tatendrang. „Wer weiß, ob wir es noch zur Pagode schaffen, wenn wir heute nicht hingehen.” Wie recht er doch haben wird. Wir einigen uns darauf, dass wir es ganz langsam angehen lassen, ganz gemütlich nach oben laufen, auch wenn wir dann erst spät dort ankommen werden.
Zum Frühstück gehen wir ins Peace Eye Guesthouse gegenüber unseres Hotels. Hier habe ich bereits bei meinem ersten Aufenthalt in Pokhara oft mit meiner Freundin gefrühstückt, um nicht zweimal täglich Dalbhat zu essen und etwas Abwechslung in den Speiseplan zu bringen – für unsere deutschen Mägen deutlich angenehmer, auch wenn das Nationalgericht sehr lecker ist. Ein etwas abseits gelegener, dennoch gut besuchter, freundlicher und ruhiger Ort. Ich mag es gerade in Nepal, meine kleine Auswahl an Stammcafés zu haben. Hier weiß ich, dass es zumindest bisher hygienisch immer okay war. Die Hygiene ist hier in Nepal stets meine größte Sorge. Kann es in diesem Jahr ein Aufenthalt ohne die typische Lebensmittelvergiftung werden, die man sich hier als Tourist so häufig einfängt?
Wie am Abend zuvor im deutschen Restaurant bestellen wir das gleiche Gericht. Diesmal das große Frühstück mit Rührei, Kartoffeln, Toast und Marmelade. Wir sitzen nebeneinander und etwas ist anders als sonst. Irgendwie besonders, ohne dass ich in Worte fassen könnte warum. Ich
fühle mich an diesem Morgen so verbunden mit Julian wie selten. Es bedarf kaum Worte zwischen uns, wir sind einfach nur da und strahlen unser kleines Glück ganz unbemerkt in die Welt. Es ist nichts Besonderes, ein ganz normales Frühstück an einem ganz normalen Morgen in
Pokhara. Die Kartoffeln etwas zu scharf und die Marmelade ganz nepalesisch kaugummisüß. Und genau in dieser kleinen Einfachheit kann ich mir kaum ein schöneres Frühstück vorstellen. Ich kann es selbst kaum glauben, wie schön alles ist. Wie wohl sich Julian hier in Nepal fühlt, wie auf einmal alles zusammenläuft, was zuvor scheinbar nicht zusammen passte. Noch immer kommt es mir etwas surreal vor, ist das wirklich mein Julian neben mir, dem es hier so gut gefällt? Wieso haben wir so lange gewartet, was hatte ihn eigentlich bisher davon abgehalten, nach Asien und Nepal zu fliegen?
Vom Frühstück geht es kurz noch einmal ins Hotel und von dort aus zur Pflegefamilie. Wir wollen Dhan Bahadur und Rekha Bescheid geben, wo wir hingehen. Sie sind nicht zuhause und so versuchen wir der Großmutter, die kein Wort englisch versteht, ungefähr zu erklären, was wir vorhaben, und dass wir erst abends zurück sein werden. Wir laufen die staubige, ungeteerte Straße hinunter, vorbei an Laxmis Kiosk, einigen Hotels und einem Barbier, der wie jeden Tag Julians Bart stutzen möchte. Die Straße mündet in die Hauptstraße von Lakeside, die direkt am See entlang führt. Hier warten wie immer einige Taxifahrer, die uns ihre Dienste anbieten. Spontan entscheiden wir uns, ein Taxi zu nehmen. So können wir den Hügel von der Rückseite her erreichen und uns den landschaftlich schöneren Teil mit der Bootsfahrt über den See zum Schluss aufheben. Der Taxifahrer behauptet, es sei zu steil und die Straße viel zu schlecht, um bis ganz nach oben zu fahren, und verlangt einen ordentlichen Aufschlag. Wir einigen uns darauf, dass er uns nur bis fast ganz zum Gipfel fährt, so dass wir das restliche Stück zu Fuß laufen können.
Gerade aus dem Taxi ausgestiegen, folgt der wohl magischste Moment des Morgens. Julian ist kaum zu halten. Mit seiner Kamera im Anschlag springt er die kleine Böschung neben der Straße hinunter und fotografiert die umliegenden Hügel mit ihren bräunlich grünen Reisterrassen. Immer, wenn ich unsere Geschichte erzähle oder mich daran erinnere, bleibt in diesem Moment die Zeit stehen. Es ist ein Gefühl vollkommener Zufriedenheit. Julian in seinem Element, ich hinter ihm, bei ihm. Es gibt niemanden sonst um uns, vielleicht niemanden auf der Welt. Dieser Moment ist perfekt und auf eine Art ewig. Da kreist fast bewegungslos ein Adler über Julian, über uns, über dem Tal. Noch nie habe ich einen solch erhabenen Vogel gesehen. In meiner Erinnerung hält dieses Bild zeitlos lange, mindestens einige Minuten. Julian mit seiner Kamera, die hügelige Landschaft, der kreisende Adler. Zwischen den Reisterrassen und im Tal stehen vereinzelt Häuser. Kein Mensch ist zu sehen. Alles ist still, auch die Zeit. Für einen Moment scheint die Welt die Luft anzuhalten.
Irgendwann hat Julian genug Fotos gemacht und dreht sich um. Er ist erstaunt, wie steil die Böschung ist, die er zuvor mühelos hinuntergesprungen ist. Ich helfe ihm zurück auf die Straße. Da ist er wieder, der Adler. Ich zeige ihn Julian und wir schauen ihm einige Momente gemeinsam hinterher. Schweigend und ehrfürchtig, versunken in diesen Moment.
Dann beginnt der Aufstieg. Treppen führen von hier zunächst in Richtung Gipfel. Wir laufen sie ganz langsam, bleiben immer wieder stehen, um Fotos zu machen oder zu trinken. Julian scheucht mich zur Seite und macht eines seiner letzten Bilder: Eine Treppe, die in den Himmel führt.
Ich beschwere mich, dass mittlerweile wirklich viele Wolken am Himmel sind und wir sicherlich keinen einzigen Berg zu Gesicht bekommen werden. Julian spricht voller Begeisterung davon, wie schön die Wolkenformationen sind, und dass die Wolken viel spannender und außergewöhnlicher sind als Berge. Berge sehen doch sowieso immer gleich aus. Heute denke ich oft, wie weise er damals in seinen jungen Jahren schon war, und frage mich manchmal, wo er das wohl hergenommen hat. Diese Art, die kleinen Dinge zu sehen und wertzuschätzen, die Art, wie er das Leben geliebt hat in seiner Vielfalt und Einfachheit zugleich. Selbst mit einer kränkelnden, meckernden Freundin an seiner Seite hatte er all das im Blick.
Wir reden darüber, wie lustig wir es finden, dass wir so ziemlich die einzigen Nepaltouristen sind, die keine Trekkingtour machen. Wir sind uns einig, dass wir dies viel zu gefährlich finden. Sollte auf dem Weg etwas passieren, ist man fernab jeder Hilfe. Wir finden es viel interessanter, die nepalesische Kultur am Fuße des Himalaya zu erkunden und planen stattdessen, bald eine Wandertour in den Alpen zu machen. Das Schicksal hat sich an diesem Morgen wirklich viel Mühe gegeben, uns seine Ironie zu zeigen. Während auf der anderen Seite des Hügels Gleitschirmflieger in die Tiefe segeln und einige Kilometer entfernt Menschen die Höhen des Himalaya erklimmen, besteigen wir in aller Ruhe unseren kleinen Hügel. Die Treppe haben wir hinter uns gelassen und vorbei an einigen strohbedeckten Hütten erreichen wir wieder die staubige Straße. Ich laufe leicht versetzt vor ihm und höre ihn nach wenigen Metern sagen: „Ich glaube, ich muss mal kurz Pause machen.” Beim Rumdrehen sehe ich Julian nur noch rückwärts auf die Straße fallen. Das ist das Ende unseres wunderbaren Morgens.
So schnell geht das. Ich habe mir nie Gedanken darüber gemacht. Wie einfach und schnell so ein Leben zu Ende gehen kann. Eben noch ein junger Mann, intelligent, energiegeladen und gesund. Voller Freude am Leben, den Moment genießend und die kleinen Dinge wertschätzend. Und im nächsten Moment einfach tot. Wenn überhaupt hatte ich Angst, dass mir selbst das passiert. Ich war doch immer die Schwache von uns beiden. Kränkelnd, klein, manchmal ein bisschen hilflos. Julian war immer auch mein Retter, mein Held gewesen. Wenn ich mir mit dem neuen Brotmesser fast die Fingerkuppe abgetrennt habe genauso wie in den Zeiten, als ich immerzu erschöpft auf dem Sofa lag und er mir Essen brachte. Und auf einmal ist er derjenige, der einfach umkippt. Lange habe ich das schlimme Gefühl mit mir herumgetragen, dass ich im entscheidenden Moment nicht seine Retterin und Heldin war. Aber ein kleiner, weiser Teil von mir weiß schon in dem Moment, als ich zu ihm eile und versuche, ihn wieder aufzuwecken, dass dies der Moment ist, in dem er stirbt. Ich will ihm nicht glauben – wie unwahrscheinlich ist das auch schon. Menschen sterben doch nicht einfach so und erst recht nicht mein Julian hier und jetzt mitten in Nepal. Es kann nicht sein, er wird ganz sicher gleich wieder aufwachen. Und doch bin ich mir rückblickend ziemlich sicher, dass dies der Moment war, in dem er wirklich starb und alles bereits zu spät war. Ich weiß noch, dass ich ihm zunächst Wasser überkippe und an ihm rüttele. Doch er reagiert nicht, liegt leblos auf dem Rücken auf dieser staubigen kleinen Straße. Und ich knie neben ihm und weiß mir nicht anders zu helfen, als laut um Hilfe zu rufen. Meine Welt zerbricht und ich sitze daneben und kann nur noch zuschauen.
Noch bevor ich irgendetwas tun kann, kommen drei ukrainische Touristen mit ihren Mopeds die Straße nach oben. Sie halten sofort an und eilen zu Hilfe. Wiederbelebungsmaßnahmen, ein Auto, das den Hügel herunterfährt, Julian, der noch immer bewusstlos, aber atmend auf den Rücksitz gelegt wird, ich wie ich mich neben ihn kauere auf einer Fahrt, die mir endlos erscheint. All das erlebe ich wie in Trance. Was passiert hier? Was ist mit unserem wunderbaren Morgen? Was ist mit diesem lebendigen Mann an meiner Seite? Unsere Sachen nehme ich nur mit, weil mich einer der Helfer daran erinnert. Im Auto bilde ich mir ein, dass Julian aufhört zu atmen. Ich versuche, ihn vor den Augen von drei nun im Kofferraum sitzenden indischen Frauen in ihren strahlenden Saris erneut wiederzubeleben. Sie schauen bestürzt und geben mir Zeichen, was ich machen soll. Zwischendrin kommt einer der Ukrainer ans offene Autofenster und erzählt mir ebenfalls, was zu tun ist. All das ist bruchstückhaft in meinem Gedächtnis geblieben. Ob Julian wirklich während der Fahrt aufgehört hat zu atmen oder erst später weiß ich nicht. Eigentlich weiß ich gar nichts. Nur dass er an diesem Tag gestorben ist. Ich weiß, dass er sehr lange in einer Arztpraxis reanimiert wurde. Dass er Spritzen bekommen hat, die von den drei Ukrainern in der Apotheke um die Ecke besorgt wurden. Während man mich in eine Ecke auf einen Hocker setzte. Immer anwesend, unfähig mich zu bewegen. Immer wieder hat man mich gefragt, ob er Drogen genommen und was genau er gegessen hat. Immer wieder zeigt der Monitor eine gerade Linie, dann doch wieder Bewegung. Die Anschlüsse verrutschen bei den Reanimationsversuchen. Oder schlägt sein Herz doch einfach nicht von alleine?
Irgendwann wird er auf eine Trage gehoben und in eine Art Krankenwagen geschoben. Der Arzt hat entschieden, ihn zum nahe gelegenen Krankenhaus zu bringen. Ich weiß noch, wie ich in diesem Moment große Hoffnung schöpfe. Wenn sie ihn verlegen, dann gibt es doch Hoffnung. Dann haben sie ihn doch bestimmt stabilisiert und jetzt kann er in dem großen Krankenhaus endlich gerettet werden. Ich hocke mich neben seine Liege in den Wagen. Wie eine Ertrinkende halte ich mich an seinem Körper fest. „Julian, du musst wieder aufwachen, du wirst wieder aufwachen, ich bin da, bei dir, komm zurück, bitte verlass mich nicht.” Ich spüre seinen Puls, seinen Herzschlag, da ist Leben in seinem Körper, ich bin ganz sicher. Ich will, dass da Leben in seinem Körper ist. Und doch ist es wohl nur mein eigener Herzschlag, den ich in der Umarmung wahrnehme, mein Wünschen und Bitten kann ihn in diesem Moment nicht mehr lebendig machen. Ich weiß noch, dass er unterwegs im Auto seine Brille verliert und ich panisch nach ihr suche, weil ich denke, dass er sonst beim Aufwachen nichts sehen wird. Kurz darauf sind wir schon in der Einfahrt zur Notaufnahme und die Ärzte holen die Liege mit seinem Körper aus dem Auto. Ich bin kurz davor, erst seine Brille zu suchen, ich kann ihn doch nicht ohne Brille lassen. Dann renne ich doch hinterher und zusammen mit den drei Ukrainern und den nepalesischen Sanitätern in die Notaufnahme. Wieder werde ich zur Seite geschoben, auf ein Bett gegenüber von Julians gesetzt. In der Notaufnahme gibt es vielleicht zehn Betten, ich nehme nur wahr, dass viele verschiedene Menschen irgendwie anwesend sind. Julian wird jetzt erneut reanimiert. Mit einem kleinen Sichtschutz versuchen sie vor mir zu verbergen, was geschieht. Langsam schiebt sich diese Erkenntnis in mein Bewusstsein: Wenn man so lange reanimiert und nichts passiert, dann stimmt irgendetwas nicht. Irgendetwas müsste doch passieren, er müsste die Augen aufmachen oder zumindest von selbst atmen. Und ich weiß noch ganz genau, wie ich es nicht wahrhaben will. Dass er hier und jetzt sterben könnte. Da sind doch Ärzte und die müssen ihn doch „reparieren “ können! Und doch weiß ich auch, wie sich diese Gewissheit immer weiter in mich hineinbohrt. Er kommt nicht wieder. Das war‘s. Er ist tot. Tot!
Uff…
Liebe Silke, eigentlich fehlen mir die Worte… Ich war gerade in Nepal – mit dir, bei euch… Gänsehaut…
Danke, dass du mich, dass du uns an deiner Geschichte teilhaben lässt!
Herzliche Grüße
Anja
Was für ein „Einstieg“ in deine Geschichte!
Danke fürs Schreiben, fürs Teilen.
wow, das war nun mehr als schwere kost an diesem montag morgen. es ist unglaublich, wie du es beschrieben hast. es ist unvorstellbar und tragisch und schmerzhaft und es kommt mir grade seltsam und komisch vor, dir zu deinem buch zu gratulieren. vielleicht kann ich es besser formulieren indem ich sage: ich freue mich sehr für dich, dass du es geschafft hast, diese geschichte aufzuschreiben, denn das war bestimmt sehr wichtig für dich und es ist sehr gut möglich, dass das auch für andere menschen wichtig sein wird.
Liebe Silke
Ich habe dein Buch gerade bis einschließlich des Kapitels Abschied gelesen ,dann musste ich es erst mal weglegen. Ich bin erschüttert. Mein Mann ist am 21.07.17 auch ganz plötzlich gestorben. Morgens hatten wir uns noch verabschiedet und dann bin ich zur Arbeit gefahren.Mittags kamen drei Polizisten zu mir auf Arbeit und haben mir mitgeteilt, daß mein Mann verstorbenen ist. Alles was du beschreibst, wie du dich gefühlt hast, ganz genauso ging es mir auch. Nächsten Tag saß ich mit unserer Tochter, seiner Schwester und seiner Mutter beim Bestattungsinstitut, als die Frau dort fragte , ob ich ihn noch mal sehen will, habe ich Nein gesagt. Ich wollte es nicht wahr haben und hatte Angst ihn tot zu sehen, ich wollte ihn so in Erinnerung behalten wie er war. Niemand hat mir gesagt, dass es wichtig wäre, ihn noch mal zu sehen. Warum hat mir das nur niemand gesagt!Dieser Gedanke quält mich.Ich denke jeden Tag an ihn, von morgens, wenn ich aufstehe bis abends wenn ich ins Bett gehe. Nur auf Arbeit bin ich abgelenkt.
LG Marion
Hallo liebe Silke ,
deine Zeilen sind so ergreifend ,das sie mich fesseln immer weiter zu lesen .
Danke ,das du dich so offenbarst über dein Schicksal uns mitzuteilen. Ich hab vor 10 Jahren mein Mann durch ein Krebsleiden verloren .Der Abschied voneinander war nie da gewesen und deswegen kann ich dich sehr gut verstehen und nach empfinden wie du dich fühlst.Mein Mann musste notoperiert werden und als er in Richtung OP-Raum gefahren wurde ,war mein Gefühl ich seh ihn lebendig nicht wieder und so war es auch.Vor der OP musste ich die starke Ehefrau spielen und ihm Mut zu sprechen das diese OP seine einzigste Chance war und seit 10 Jahren fehlt mir dieser Moment des Abschied nehmen.
Liebe Grüsse Karin
Liebe Silke,
ich habe nun dein Buch gelesen…und möchte dir sagen, dass es das beste „Trauer“-buch ist, das ich je gelesen habe. Ich bewundere deinen Stil und deine Wortwahl und von meinen Gedanken und Gefühlen könnte ich das Buch geschrieben haben – leider fehlten mir hierzu die Worte, die ich nun in deinem Buch gefunden habe. Manchmal dachte ich, das gibt es doch gar nicht – die gleichen Gedanken, die gleichen Gefühle!
Für mich war es „endlich“ auch eine Würdigung meines Empfindens – danke. Auch ich dachte oft, wieso versteht mich denn niemand? In deinem Buch habe ich das Verständnis gefunden und das Wissen, dass ich nicht alleine bin mit den ambivalenten Gefühlen, dem Verlassensein, der Sinnsuche usw…
Mein Mann starb innerhalb eines halben Jahres einen Tag vor seinem 51. Geburtstag…nun sind es 5,5 Jahre her und ich habe viel bewältigt. Allerdings bleibt bei allem trotzdem immer eine gewissen Traurigkeit und es verändert einen Menschen. Nie mehr ist man so wie vorher. Und doch… es wird wieder gut, aber anders.
LG Sabine