Ich bin schon ein bisschen aufgeregt. Nächste Woche kommt der Dalai Lama wieder nach Frankfurt. Das finde ich zum Einen großartig, weil ich ihn für einen besonderen und inspirierenden Menschen halte. Zum Anderen hat sein Besuch für mich persönlich noch eine weitere Bedeutung: Als er im Mai 2014 Frankfurt besuchte, war Julian gerade mal gut ein Jahr tot. Ein Jahr voller Trauer, Schmerz und Dunkelheit. Ein Jahr, in dem ich dachte, dass ich nie mehr Freude empfinden würde. Weil Julian in Nepal gestorben ist und es dort eine Zeremonie in einem buddhistischen Kloster für ihn gegeben hatte und auch weil mich generell die Frage sehr bewegte, wo er denn nun sein mag, hatte ich mich in diesem Jahr viel mit dem Buddhismus beschäftigt. Mit all meinen Fragen war ich im Tibethaus in Frankfurt gelandet und hatte mich in der tibetisch-buddhistischen Atmosphäre dort immer wieder ein Stück aufgehoben gefühlt. Immer wieder begegneten mir in dieser Zeit natürlich auch Zitate und Bücher des Dalai Lama und in mir entstand der Wunsch, ihn einmal zu sehen. Und dann kam diese Mail, dass das Tibethaus seinen Schirmherren, den Dalai Lama, eingeladen hatte und er nach Frankfurt kommen würde. Da ich zu diesem Zeitpunkt bereits Mitglied war, wurde ich zu einer Veranstaltung in der Paulskirche eingeladen. Und das war das erste Mal, dass ich mich seit Julians Tod so richtig freute. Es gab hier und da auch vorher schon kleine schöne Momente, die ich auch wahrnehmen konnte. Aber jetzt war da auf einmal diese echte, große Freude. Ich weiß noch genau, wie ich die Menschen um mich herum damit nervte, indem ich freudig mit meiner Einladung vor ihnen herumhüpfte. Verrückt, wie das dann auf einmal wieder ging. Natürlich war damit meine Trauer nicht vorbei, ganz und gar nicht. Aber die Erfahrung, mich tatsächlich wieder freuen zu können, war für mich sehr wichtig. Ich entschied mich damals, als Volunteer bei den Vorbereitungen zur Veranstaltung mitzuhelfen. Es war ein insgesamt unvergessliches Erlebnis.
Soviel zu meiner ganz persönlichen Verbindung zum Dalai Lama. Aber was sagt er denn nun eigentlich zum Thema Trauer? Während des öffentlichen Vortrags 2014 stellte ein Zuschauer genau diese Frage. Ein Vater, dessen Kind bei einem Unfall gestorben war. Ich weiß noch genau, wie ich im Publikum saß und es gar nicht glauben konnte, dass wirklich diese Frage gestellt wurde, und gespannt auf die Antwort des Dalai Lama wartete. Er erklärte, dass sterben aus der buddhistischen Perspektive eher so etwas wie Kleidung wechseln bedeuten würde. Das Leben wird als Übergangsstadium betrachtet. Das Wesen selbst geht lediglich in eine neue Existenz. In diesem Leben, für die Hinterbliebenen, bleibt es dennoch ein trauriges Ereignis. Sein Rat damals, den ich heute voll und ganz unterschreiben kann: Es kann helfen, anderen zu helfen. Es ist immer gut, Mitgefühl für andere Menschen zu entwickeln. Und ganz besonders in der Trauer. Es kann helfen, uns klar zu machen, dass wir nicht alleine sind, dass anderen Ähnliches geschehen ist. Überall auf der Welt. Dazu fällt mir diese kleine Geschichte von Buddha ein, die ich kürzlich auf mymonk.de gelesen habe.
Ganz überrascht habe ich beim Ansehen der Aufnahmen von damals für diesen Artikel festgestellt, dass ich seither ziemlich genau den beschriebenen Weg des Dalai Lama gegangen bin, ohne mir dessen bewusst zu sein: Er sagte, es ginge darum, mit dem eigenen Leben weiterzumachen, im Dienste anderer Menschen. Wenn wir selbst einen so großen Verlust erlebt haben, dann können wir anderen beistehen, die Ähnliches erleben müssen. Das hilft ihnen und uns. Und dann können wir noch mehr Lebensmut schöpfen und unser Leben sinnvoll weiterführen. So kann aus der Verzweiflung eine noch größere Entschlossenheit entstehen. Eine Entschlossenheit, im Namen des Verstorbenen weiterzumachen.
Jetzt interessieren mich zwei Dinge: Was war das erste, was dir wieder richtig Freude bereitet hat in der Trauer? Kannst du dich noch daran erinnern, wie sich das angefühlt hat? Und was denkst du über die Worte des Dalai Lama? Hat dir das Helfen in der Trauer vielleicht selbst geholfen?
Foto: Tibethaus
Das erste, das mir nach dem Tod meiner Frau wieder Freude gemacht hat:
Wenige Monate vorher sind wir umgezogen.Die Chefin des Umzugsunternehmens hat am Umzugstag mitgeholfen beim Einpacken. Nach einiger Zeit teilte sie meiner Frau mit, dass sie sich verabschieden muss, weil ihre Schwiegertochter angerufen hat, die schwanger war, kurz vor der Niederkunft und anscheinend gab es Probleme. Meine Frau gab der Frau spontan einen Teddybär für das Baby mit.
Noch während des Umzug haben wir erfahren, dass das Baby zur Welt kam, aber schwer krank war und das Überleben auf der Kippe stand. Meine Frau hat sich in der Folge immer wieder bei der Oma nach dem Befinden des Babys erkundigt. Es hat sich gut erholt. – Soweit die Vorgeschichte.
Nach dem Tod meiner Uschi hatte ich das Gefühl, ich sollte dies auch der Chefin der Umzugsfirma mitteilen, was ich dann auch tat. Kurz darauf kam eine, mein Herz anrührende mail vom Vater (Kolumbianer) der kleinen Elly. Er schrieb, dass ihn der Tod meiner Frau sehr berühre und meine Frau so zum Teil seiner Familie wird. Denn: Im Krankenhaus, als es sehr schlimm um seine Tochter stand, fragte er währen des Wartens seine Mutter, warum sie einen Teddybar mitgebracht habe. Sie antwortete, dass das ein Geschenk einer Kindin für das Baby sei.
Die kleine Elly erholte sich und der Bär, der Oso-Bär getauft wurde war das erste Spielzeug der Kleinen. Deshalb gehörte jetzt meine Frau mit zur Familie.
Nach ca. vier Wochen rief die Oma an und fragte, ob sie und ihre Familie mich zu einem kleinen Ausflug abholen dürfte, damit ich „auf andere Gedanken“ komme. – Eigentlich fremde Menschen! Das hat mich überwältigt. Inzwischen haben wir regelmäßig Kontakt und ich war auch zum ersten Geburtstag, der inwischen völlig gesunden Elly, eingeladen.
Und nun zum Dalai Lama: Es gibt eie Handvoll Bücher, die ich immer wieder, alle ein bis zwei Jahre, lese. Dazu gehört das Buch „Die Regeln de Glücks“ in dem der Dalai Lama vom Autor Howerd Cutler über einen längeren Zeitraum befragt wurde. Sehr empfehlenswert!
Und nun zum Dalai Lama
Wow, was für eine berührende Geschichte! Danke dir vielmals, lieber Bertram, fürs Teilen.