Was hast du dir heute Gutes getan?

Heute möchte ich diese sehr wichtige Frage stellen und dich einladen, dich auf sie einzulassen und sie dir vielleicht sogar ab jetzt öfter zu stellen: „Was hast du dir heute Gutes getan?“

Wenn du einen lieben Menschen verloren hast, ist es wahrscheinlich keine leichte Frage. In der Trauer fällt es uns oft besonders schwer, gut für uns zu sorgen. Es ist kaum Kraft dafür da, unsere Energie wird von den täglichen Anforderungen unserer Umwelt und unseres Alltags komplett aufgebraucht. Und dann kommt oft noch ein schlechtes Gewissen hinzu. Darf ich es mir denn einfach so gut gehen lassen, obwohl mein geliebter Verstorbener tot ist und gar nicht mehr die Möglichkeit dazu hat?

Ich erinnere mich noch sehr gut daran, als die Leiterin der Trauergruppe, in die ich einige Monate nach Julians Tod gegangen bin, uns diese Frage gestellt hat. Was haben wir uns seit dem letzten Treffen Gutes getan, wollte sie wissen. Ich war ziemlich überrumpelt und stellte fest, dass ich bis dahin gar nicht auf die Idee gekommen war, mir selbst aktiv etwas Gutes zu tun. So sehr war ich damit beschäftigt gewesen, überhaupt zu überleben und dann möglichst noch irgendwie zu funktionieren.

Genau deshalb stelle ich diese Frage nun dir. Die Trauer mit all ihren intensiven Gefühlen ist unglaublich anstrengend. Es ist wichtig, dass wir sie fühlen und hindurch gehen, es gibt keinen Weg daran vorbei. Das heißt aber nicht, dass wir durchgängig leiden müssen. Im Gegenteil ist es wichtig, dass wir gut für uns sorgen, um diese schwere Zeit zu überstehen. Es ist ok und wichtig, dass du dir zwischendurch kleine Momente erlaubst, in denen es etwas leichter sein darf. Das mag besonders am Anfang sehr schwer fallen. So unvorstellbar ist es doch, dass es überhaupt etwas geben könnte, das uns gut tut. Es darf daher auch etwas ganz kleines oder scheinbar banales sein. Vielleicht ist es ein Lieblingsgericht, ein Spaziergang, ein Stück Schokolade, ein Paar neue Schuhe, die Erlaubnis, den Wecker um zehn Minuten nach hinten zu stellen, ein Treffen mit einer Freundin oder eine Tasse Tee – egal was, Hauptsache, es ist für dich gut.

Vielleicht geht es dir auch allgemein so wie mir, dass es dir leichter gelingt, gut für dich zu sorgen, wenn es dir sowieso schon einigermaßen gut geht. Unabhängig von der Trauer war und ist das bei mir so. Ich kann dir viele Dinge nennen, die mir gut tun, vieles davon habe ich auch in den letzten Jahren erst gelernt. Wenn es mir aber so richtig schlecht geht, dann fallen sie mir oft gar nicht erst ein oder ich denke: „Ach, bringt ja eh nichts, wozu soll das gut sein.“. Noch schlimmer: Oft schlage ich dann noch zusätzlich auf mich ein, werfe mir selbst vor, dass es mir nicht gut geht. Es ist erschreckend, wie wir manchmal mit uns selbst umgehen, während wir jemand anderem in einer ähnlichen Situation viel mitfühlender und liebevoller begegnen würden.

Wenn es dir da ähnlich geht wie mir, dann hilft es dir vielleicht auch, dir diese Frage, was du dir heute Gutes getan hast, wirklich regelmäßig zu stellen. Versuche es zur Gewohnheit werden zu lassen, dir immer wieder etwas Gutes zu tun. Wie gesagt, es kann etwas ganz kleines sein.

Wenn du magst, dann teile gerne in den Kommentaren, was du dir heute oder in den letzten Tagen Gutes getan hast. Oder planst du vielleicht etwas für die nächsten Tage? Wie geht es dir allgemein damit, fällt es dir leicht oder tust du dir eher schwer damit, dir Gutes zu tun?

5 Gedanken zu „Was hast du dir heute Gutes getan?“

  1. Liebe Silke,
    danke für diese Anregung! Als ich sie am vorletzten Sonntag zum ersten mal las, war das der entscheidende Auslöser, meine Badesachen zu packen und endlich wieder einmal in die Bade- und Saunalandschaft ins 40 km entfernte Neuharlingersiel zu fahren. Schon meine Schwiegermutter war morgens am Telefon nicht begeistert, als ich ihr aufzählte, was ich alles meinte heute noch erledigen zu müssen. Jetzt wusste ich, warum ich morgens meine schwarze Badehose beim Kramen im Kleiderschrank in der Hand hielt, die ich lange für verschwunden hielt. Es fühlte sich richtig gut an, sich einfach so einer Idee hin zu geben. Und dadurch war ich innerlich sehr ruhig und spürte die tiefe Zustimmung meiner Liebsten. Wir waren früher immer gemeinsam dort hin. Ich nahm sie innerlich mit und wir staunten gemeinsam unterwegs, wie viel sie dort nach einem Jahr verändert hat. Es war ein sehr schöner Tag, an dem ich einmal Pause von der Trauer hatte und Kraft und Mut auftankte. Dann passierte mir noch ein lustiges Missgeschick und ich konnte seit langer Zeit einmal richtig lachen.
    Und weil mir der Tag auch heute noch, fast zwei Wochen später wie ein traumhafter Ausflug zu meiner Liebsten vorkommt, poste ich es. Für Euch als Ermutigung! Denn im Nachhinein weis ich, dass ich richtig, richtig Bammel hatte, etwas so „Großes“ zum ersten Mal allein zu unternehmen.

    Antworten
    • Lieber Ralf,
      wow, vielen lieben Dank für diesen berührenden Kommentar von dir! Es freut mich zutiefst, dass mein Blogbeitrag der Auslöser für diesen Ausflug von dir war. Ich freue mich sehr für dich, dass du dir diese kleine und zugleich so große Auszeit von deiner Trauer nehmen konntest.
      Wie ist es denn jetzt, planst du auch in den nächsten Tagen, dir etwas Gutes zu tun?
      Liebe Grüße
      Silke

      Antworten
    • Lieber Ralf,
      wenn ich deine Zeilen lese, freue ich mich mit dir mit. Wie großartig, dass du diesen Ausflug gemacht hast und deine Liebste sogar mitgenommen hast.
      Ich fand es unglaublich schwer, etwas zu unternehmen, was früher etwas „Gemeinsames“ war. Als ich es dann doch einmal gemacht habe, war es einfach nur schön – meine Angst davor war im Nachhinein ganz unberechtigt ;O)
      Hattest du Hemmungen, diesen Ausflug zu machen, den ihr früher immer gemeinsam gemacht habt? Oder war dir nur nicht (mehr) klar, dass dir das dort so gut tut?
      Liebe Grüße
      Anja

      Antworten
  2. Liebe Silke,

    seitdem du diesen so wertvollen Beitrag (vielen Dank dafür!) gepostet hast, denke ich über deine Worte nach. Du hast völlig Recht, es ist ganz wichtig, gut für sich zu sorgen, gerade jetzt in dieser unendlich schweren, so anstrengenden Zeit. Aber… ich bekomme es einfach nicht hin. Eigentlich weiß ich schon, was mit gut täte, gerade jetzt, was ich immer gern gemacht habe, was die Sonne in mein Leben bringt, aber ich kann es einfach nicht, ich schaffe es nicht. Es ist, wie wenn ich den Zugang zu meinen Bedürfnissene verloren hätte. Oder besser gesagt, der Zugang ist schon noch da, ich weiß ja, was gut wäre, aber die Umsetzung klappt überhaupt nicht. Sobald ich es versuche, werde ich einfach nur müde, und es geht nicht. Ich bin mir ganz sicher, dass es soo wichtig wäre, das wieder zu schaffen, und suche verzweifelt den Schlüssel. Vielleicht liegt die Lösung im Loslassen? Soll ich mir vielleicht sagen, irgendwann geht es wieder, darauf freue ich mich, wann immer es ist? Vielleicht hab ich auch die Traurigkeit zu sehr umarmt, dass die Lebensfreude gerade nicht mehr so richtig zu mir durchkommt.

    Liebe Grüße
    Conny

    P.S.: Gegenüber von mir liegt mein Lieblingsschokoriegel und schaut mich fröhlich an :-).

    Antworten
    • Liebe Conny,
      vielen lieben Dank für deinen Kommentar.
      Du sprichst etwas ganz wichtiges aus: Manchmal ist es einfach unmöglich, die Dinge zu tun, die uns eigentlich gut tun würden. Das ist besonders frustrierend, wenn wir auch noch wissen, was gut wäre. Eigentlich müssten wir es ja „nur“ einfach tun und es könnte uns besser gehen .. sagt der Verstand und lädt uns dazu ein, uns auch noch selbst Vorwürfe zu machen, obwohl es uns doch sowieso gerade schon so schlecht geht.
      Liebe Conny, ich kenne es von mir sehr gut, dass das nicht so einfach funktioniert. Gerade auch die Müdigkeit und Erschöpfung, ich fand und finde sie bis heute sie fast am schwersten anzunehmen. Mein Gefühl ist, dass es genau darum geht: Annehmen. Nicht loslassen, sondern annehmen was da ist. Die Müdigkeit, die Tatsache, dass es mit der Umsetzung nicht klappt, die Verzweiflung. All das ist okay. Es wäre schön, wenn es anders wäre, aber momentan ist es so und das ist okay. Die Lebensfreude wird wiederkommen, sie kommt nur nicht wenn du sie versuchst zu erzwingen. Dazu fällt mir ein afrikanisches Sprichwort ein: „Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht.“
      Ich finde, dein Lieblingsschokoriegel ist etwas ganz wunderbar Gutes. Es muss überhaupt nichts großes sein, nicht immer gleich ein Ausflug wie ihn Ralf beschrieben hat. Es sind die kleinen Dinge, die oft zählen. Anstatt uns darauf zu fokussieren, dass etwas Großes gerade nicht klappt, können wir versuchen, diese (scheinbaren) Kleinigkeiten bewusst in unser Leben zu lassen.
      Herzliche Grüße
      Silke

      Antworten

Schreibe einen Kommentar