Raum für meine Trauer – Auszug aus „Ein Teil von mir“

Endlich ist es da! Mein zweites Buch „Ein Teil von mir: Meine Trauer umarmen und weiterleben. Für Menschen nach dem ersten Trauerjahr“ ist gestern im Patmos Verlag erschienen. Zur Feier der Veröffentlichung möchte ich heute einen Auszug daraus mit dir teilen. Wenn dich meine Worte berühren, wenn du selbst vielleicht gerade an einem Punkt stehst und dich fragst, wie es nun weitergehen soll mit deiner Trauer, wo sie ihren Raum bekommen kann nach all der Zeit, die bereits vergangen ist und die doch in Anbetracht deines großen Verlusts erst so kurz ist, dann habe ich das Buch womöglich auch für dich geschrieben. Deine Trauer darf Zeit brauchen und deine Trauer kennt den Weg – deinen ganz persönlichen Weg.

Erhältlich ist das Buch überall, wo es Bücher gibt. Zum Beispiel direkt beim Patmos Verlag, bei Amazon oder auch bei mir per Mail – gerne schreibe ich dir eine persönliche Widmung hinein.

Aus dem Vorwort:

Gemeinsam mit dir möchte ich erforschen, wie das nun eigentlich geht mit dieser Trauer. Wie kann sie ihren Platz in unserem Leben finden, vor allem über dieses besondere erste Jahr der Trauer hinaus? Wie geht es dann, wenn schon keiner mehr erwartet, dass wir noch trauern, und die Trauer dennoch weiterhin ihren Raum haben möchte? Ich begebe mich mit dir auf diese Reise, um noch einmal zu reflektieren, was es eigentlich war, das für mich zu dieser Akzeptanz geführt hat, mit der ich heute auf Julians Tod blicken kann. Ich stehe hier, um dir zu sagen, dass es möglich ist, und zugleich weiß ich, dass wir alle unsere ganz eigenen Wege gehen. Deshalb kann ich dir keine Bedienungsanleitung für deine Trauer geben. Ich habe keinen genauen Plan, was du wann machen musst, um »gut« und womöglich schnell hindurchzukommen. Und ich glaube auch nicht, dass es einen solchen Plan gibt. Denn Trauer ist so individuell wie wir Menschen und das Leben selbst.
Mit diesem Buch möchte ich dich inspirieren für deinen ganz eigenen Weg. Ich teile mit dir, was für mich hilfreich war und was ich durch meine intensive Beschäftigung mit der Trauer erfahren habe.

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2. Raum für meine Trauer

Die Trauer in unserem Leben willkommen heißen und ihr einen guten Platz geben – das klingt in der Theorie so gut, irgendwie friedlich und sanft. Und zugleich wirft diese Idee viele Fragen auf und ist schwer zu greifen. Eigentlich wollen wir die Trauer doch gar nicht mehr haben. Wie lange soll das noch so weitergehen? Dieser Schmerz ist so schwer zu ertragen, der Weg zurück ins Leben so beschwerlich. Wie kann es da gut oder gar gesund sein, sich noch weiter in die Trauer hineinzubegeben, auch noch ganz bewusst Raum dafür zu schaffen? Ist die Gefahr nicht viel zu groß, nie wieder den Weg heraus zu finden? Wer steigt schon freiwillig in diesen dunklen Abgrund? Verliere ich mich am Ende womöglich komplett darin? Ist es nicht besser, diese Trauer, die mich immer wieder zum Weinen und Verzweifeln bringt, zu vermeiden, um ein gutes Leben führen zu können? Ist es nicht irgendwie krankhaft, wenn sie so lange anhält, länger noch als ein Jahr? Müsste es jetzt nicht endlich wieder gut sein?

Was stimmt bloß nicht mit mir?

Wenn wir nach all der Zeit immer noch so traurig sind und es scheinbar nicht schaffen, unseren Weg aus der Trauer und zurück ins Leben zu finden, fragen wir uns oft, ob irgendetwas nicht stimmt mit uns. Nach wie vor vermissen wir den Verstorbenen so sehr, können wir keinen Sinn erkennen in all dem. Es hat sich vielleicht etwas verändert, aber es tut immer noch so weh. Unser Umfeld signalisiert uns mehr und mehr, dass es jetzt reicht mit der Trauer. Und wir wollen auch selbst so gerne, dass es aufhört, aber wir wissen einfach nicht, wie das gehen soll. Dann versuchen wir vielleicht, gegen die Trauer anzukämpfen, uns zusammenzureißen, eine Abkürzung zu finden. Das Leben verlangt, dass wir weitergehen. Verlieren wir sonst nicht den Anschluss? Die Sache ist, wir können alle möglichen Strategien anwenden, um der Trauer aus dem Weg zu gehen. Wir können sie sogar eine Weile lang aus unserem bewussten Erleben verdrängen. Und es ist auch völlig in Ordnung, das hin und wieder zu tun. Doch die Trauer bleibt trotzdem. Sie ist einfach da und beeinflusst uns und unser Wohlergehen, ob bewusst oder unbewusst.

Aus meiner eigenen Erfahrung kann ich dir sagen, dass der Prozess der Verarbeitung des Verlustes nicht schnell gehen muss, damit es irgendwann wieder gut ist. Ja, es ist sogar wichtig, dass du dir dein eigenes Tempo zugestehst. Deine Trauer darf Zeit brauchen. Ich habe mich unterwegs immer und immer wieder gefragt, wieso ich es nicht schaffe, sie zu überwinden, wieso ich es nicht schaffe, endlich wieder normal zu leben. Ich war sicher, dass etwas nicht stimmt mit mir, dass ich einfach unfähig bin, dass ich meinen Platz im Leben nie mehr finden würde. Heute sitze ich hier, schreibe über die Trauer und höre häufig von anderen Menschen, dass sie meinen Umgang damit bewundernswert und stark finden. Wie schwer das alles war, wie schwach und falsch ich mich für eine wirklich lange Zeit gefühlt habe, das sieht man mir heute vermutlich nicht mehr so an. Deshalb betone ich es immer wieder: Es war, es ist kein leichter Weg. Es braucht Zeit. Es ist normal, dass das eine Jahr bei schweren Verlusten nicht ausreicht. »Langsam« und »schnell« gibt es hier nicht, es gibt einfach bloß die Zeit, die es eben braucht. Wenn die Trauer nach dem Tod eines lieben Menschen nun also nicht einfach so weggeht – sosehr wir es uns auch wünschen –, wie wäre es, wenn wir ihr einmal neu begegnen würden? So, wie wir einem Gast begegnen, den wir nicht unbedingt eingeladen haben, der aber aus irgendeinem Grund nun auf unserer Couch sitzt und erst einmal bleiben wird. Es ist so verständlich, dass du deine Trauer mit all den schmerzhaften Gefühlen loswerden möchtest. Schließlich ist es eine ganz natürliche Reaktion, vor Schmerz – ob körperlichem oder seelischem – zunächst zurückzuschrecken. Doch wie viel Energie fließt in deinen Widerstand gegen die Trauer? Wie viel Energie ist gebunden in diesem Kampf? Und gegen was kämpfst du wirklich? Ist es die Trauer, die es zu besiegen gilt? Ist sie wirklich das Problem? Oder ist sie nicht vielmehr die Lösung in einer Situation, in der es eigentlich zunächst gar keine Lösung geben kann, weil der geliebte Verstorbene einfach für immer tot bleiben wird?

Trauer als natürliche Fähigkeit meiner Psyche

Wenn Trauer die Lösung sein soll, was ist dann eigentlich das Problem? Und was ist Trauer wirklich? Was will da diesen Raum haben in unserem Leben?
Das Problem, das, was so schmerzt, ist der Verlust dieser geliebten Person, die Lücke, die sie in unserem Leben hinterlässt. Das Problem ist die Tatsache, dass dieser geliebte Mensch niemals wiederkommen wird, egal was wir tun. Wir sind nicht falsch oder krank, wenn wir in Anbetracht dieses Verlusts trauern, auch über lange Zeit. Die Trauer ist unsere Antwort darauf, eine ganz natürliche Reaktion auf diese außergewöhnliche, schmerzhafte Situation. Egal, welche Verluste wir erleben, Trauer hilft uns, damit umzugehen. Der Tod eines geliebten Menschen stellt eine besondere Form der Trauer dar. Diesen schweren Verlust überwinden wir nicht einfach so innerhalb einiger Tage oder Wochen. Trauer ist zutiefst schmerzendes Heimweh nach dieser geliebten Person, Heimweh nach diesem alten Leben, das es so nun nicht mehr geben kann. Trauer ist die verzweifelte Suche
nach dieser Person. Trauer ist seelischer und körperlicher Schmerz, ausgelöst durch diese grausame Trennung. Hinzu kommt, dass zusätzlich zum eigentlichen Verlust die Konfrontation mit dem Tod viele Fragen aufwirft. Sie verändert womöglich unser ganzes Weltbild und die Sicht auf uns selbst. Dieser eine Verlust zieht meist noch viele weitere Verluste nach sich – große und kleine, die sich zusammen zu einem riesigen Verlustberg aufzutürmen scheinen. Die Trauer nach dem Tod eines geliebten Menschen übertrifft meist alles, was wir zuvor im Leben an Problemen erfahren haben, um ein Vielfaches. Vermutlich hast du niemals zuvor einen solch tiefgreifenden Schmerz erlebt, hast du niemals erahnen können, dass dich etwas so sehr aus der Bahn werfen kann wie dieser Verlust.

Wenn wir betrachten, was Trauer eigentlich ist, dann können wir sehen, dass sie nicht nur für diese besonders großen, schweren Verluste zuständig ist. Sie ist stets Teil unseres menschlichen Daseins. Trennungen, Krankheiten, Kündigungen, Wohnungswechsel, Veränderungen im Freundeskreis – im Laufe unseres Lebens begegnen uns die unterschiedlichsten Verluste. Sogar in positiven Veränderungen, die wir uns selbst gewünscht haben, steckt immer auch ein gewisser Verlust. Nicht alle sind gleich schmerzhaft und doch gehört die Trauer dazu – manchmal ganz unbemerkt. Mir geht es an dieser Stelle nicht ums Vergleichen. Mir geht es darum, dass Trauer etwas ganz Natürliches ist und damit nichts, das es zu bekämpfen gilt. Es stimmt, sie passt nicht in unsere Zeit. Sie hält uns womöglich davon ab, weiter gut zu funktionieren und dazuzugehören. Ja, sie kann uns auf eine Art zunächst ausschließen, hinauskatapultieren aus allem Gewohnten, uns entfernen von Menschen, die uns zuvor nahe schienen. Das Leben fragt uns nicht, ob wir diesen Verlust erleben wollen. Sosehr wir uns dagegen wehren mögen, Vergänglichkeit und Tod sind Teil unserer Erfahrung auf dieser Erde. Zur Bewältigung dieser leidhaften Erfahrungen steht uns die Trauer zur Seite. Sie ist als wichtige Fähigkeit in unserer Psyche eingebaut. Wollen wir sie wirklich dafür verantwortlich machen, dass sie nicht in unsere Welt passt? Ist sie es, die »falsch« ist, oder ist es womöglich die Welt, die wir uns geschaffen haben? Muss sich unsere Trauer an die von uns geschaffenen Gegebenheiten anpassen oder können wir einen Weg finden, die Umstände so anzupassen, dass unsere Trauer auf die Art wirken kann, wie sie es für uns tun möchte? Denn sie fordert viel, aber sie gibt auch viel – so unvorstellbar das vielleicht im Moment klingen mag. Wie wäre es, wenn wir ihr den Raum geben, den sie braucht, um uns dabei zu helfen, diesen schweren Verlust zu begreifen und einen Weg zu finden, mit ihm weiterleben zu können?
Du merkst es vielleicht: Ich möchte in diesem Buch ganz besonders für die Trauer werben. Ich möchte dir zeigen, wie liebevoll und hilfreich sie eigentlich ist und wie oft sie doch verkannt wird. Das mache ich nicht, weil es sich in der Theorie so gut anhört, sondern weil ich selbst erfahren durfte, dass es leichter wird, wenn ich mir erlaube, die Trauer auf diese Art zu betrachten – nicht als Übel, sondern als wertvolle Begleiterin in dieser so düsteren, vielleicht einsamen und herausfordernden Phase unseres Lebens.
Die Trauer ist der Mechanismus unserer Seele, der es uns überhaupt ermöglicht, schwere Verluste zu überleben. Mehr als das, ist sie es doch auch, die uns dabei hilft, all das wieder in uns zu integrieren, neuen Lebensmut und ein ganz neues Leben zu finden.

 


Alle Infos zum Buch:

Neu: Ein Teil von mir – Meine Trauer umarmen und weiterleben. Für Menschen nach dem ersten Trauerjahr.

Ein Teil von mirWas geschieht mit der Trauer nach einem, nach zwei, nach drei Jahren und darüber hinaus, wenn das Umfeld wieder zur Tagesordnung übergegangen ist? Wo und wie kann sie nun den Raum bekommen, den sie braucht?

Die Trauerbegleiterin und Bloggerin Silke Szymura beschreibt in diesem Buch einfühlsam, wie es gelingen kann, den Kampf gegen die ungewollten Gefühle aufzugeben, die eigene Trauer zu umarmen und so Schritt für Schritt in ein neues, auf andere Art wieder gutes Leben zurückzufinden.

Erscheinungsdatum: 27. August 2018

14 x 22 cm, 176 Seiten, Klappenbroschur
Preis: € 16,– [D] / € 16,50 [A]
ISBN 978-3-8436-1083-4

Vorbestellbar direkt beim Verlag, auf Amazon und überall dort, wo es Bücher gibt.

Gerne versende ich auch von diesem Buch nach der Veröffentlichung liebevoll signierte Exemplare auf Bestellung per Mail an silke@inlautertrauer.de

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