Vor einer Weile durfte ich ein tief berührendes Gespräch über den Tod mit Angaangaq Angakkorsuaq, einem Ältesten und Schamanen aus Grönland, führen. Er erzählte mir, wie in seiner Tradition die Nordlichter Grüße unserer lieben Verstorbenen sind, die in der Nacht am Himmel für uns tanzen. Er erzählte auch davon, wie Geburt und Tod eins sind, wie der Tod nur die Geburt in die nächste Welt ist auf dem Weg durch die unzähligen Welten des Schöpfers.
Und er erzählte von der Art und Weise, wie in seiner Heimat mit dem Tod von Angehörigen umgegangen wird. Angaangaq berichtete davon, wie es war, als einer seiner Brüder starb. Davon zu hören hat in mir eine tiefe Sehnsucht danach berührt, dass wir uns auch hier in Deutschland wieder näher an den Tod herantrauen mögen und uns trauen, unsere Gefühle so wie sie gerade da sind, auszudrücken. Ich weiß, es ist schwer, wenn man es nicht gewohnt ist. Vielleicht kann Angaangaqs Erzählung dennoch eine Inspiration sein für dich, für uns. Das ganze Gespräch mit ihm findest du hier auf Youtube und auch am Ende dieses Beitrags eingebettet. Es ist in englisch mit deutschen Untertiteln.
‚Die Töchter hatten ihn bereits gewaschen, seinen Körper. Aber er war noch zu Hause. Es kochten alle. All das Essen, das er liebte. Es wurde gekocht und wir sangen zusammen, chanten zusammen, lachten und weinten, und jemand gab ihm etwas Essen. Wir redeten über die Erfahrungen, die wir zusammen gemacht hatten. Weil er ein alter Seemann gewesen war, der in der ganzen Welt unterwegs war, hat er uns so viele Geschichten erzählt immer wenn er nach Hause kam. Und wir erzählten diese Geschichten. Dinge, die andere nicht mehr erinnerten.
Es dauerte die ganze Nacht. Niemand schlief, niemand war still. Die Menschen weinten ein wenig und wir lachten so viel. Wir genossen ihn das letzte Mal. Wir hatten ein Festmahl. Das ist die Tradition.
Und er hatte seine Seele vorbereitet, um zu gehen.
Und dann die Beerdigung selbst. Heutzutage sind alle in der christlichen Tradition. Dort ist es eine wirklich eingeschränkte Erfahrung. Weil wir dann nur da sitzen mit gesenktem Kopf. Und jemand singt. Und wir dürfen ihn nicht berühren.
Als wir also meinen ältesten Bruder begraben haben, erlaubte uns die Kirche, eine Zeremonie entsprechend unserer Tradition zu machen. Der Pfarrer war an der Tür. Ich war der Älteste, also redete ich zuerst über meinen Bruder. Dann kam mein nächster Bruder und der nächste, dann eine Schwester und der nächste Bruder. Und wiederum der nächste Bruder. Zwischen zwei Schwestern. Er lebte fast 15 Jahre mit unserem Bruder zusammen in einer Wohnung. Unser ältester Bruder war in Rente gegangen, beide arbeiteten nicht mehr.
Als mein Bruder also nach vorne ging, war er so wütend auf seinen Bruder. Er begann, ihn anzuschreien. “Warum bist du gestorben? Du hast mir nicht einmal gesagt, dass du stirbst! Du hast mich nicht informiert! Ich konnte mich nicht darauf vorbereiten, dass du stirbst!”
Mein Bruder, unser Bruder, konnte seinen Ärger ausdrücken, dass er allein gelassen wurde. Und wir ließen ihn einfach reden. Und danach gab er ihm einen Kuss (auf die Stirn). Und er sagte: “Du alter Mann, jetzt kannst du dich ausruhen.”‘
Angaangaq Angakkorsuaq in unserem Gespräch über den Tod (hier auf Youtube)
Hier findet du die Webseite von Angaangaq.
Hier findest du einen Blog-Beitrag zu unserem Gespräch mit der Möglichkeit, Angaangaq als Ältesten durch eine Spende in seinem Lebenswerk zu unterstützen:
Und hier das ganze Gespräch mit ihm auf Youtube:
Beschreibung zum Video:
Angaangaq ist ein Schamane, traditioneller Heiler und Hüter der Windtrommel. Seine Familie gehört zu den traditionellen Heilern des hohen Norden Grönlands. Die spirituelle Aufgabe, die ihm von seiner Mutter übertragen wurde, ist „das Eis im Herzen der Menschen zu schmelzen.“
Angaangaqs Arbeit brachte ihn in über 70 Länder dieser Welt. Er leitet Kreise, Intensivseminare und Schwitzhüttenzeremonien. Seine Lehren sind tief verwurzelt in den Weisheiten der mündlich überlieferten Heiltradition seines Volkes, die den Menschen über Jahrtausende hinweg ein Überleben an einem der unwirtlichsten Orte der Erde ermöglichten.
In unserem Gespräch teilt er seine Sicht auf das Leben und den Tod. Er spricht darüber, dass Geburt und Tod ein und dasselbe sind und wie wir unsere Seele auf die Reise aus dem Körper vorbereiten können. Angaangaq teilt aus seiner ganz persönlichen Erfahrung vom Tod seines Bruders wie traditionell in seiner Familie mit den Verstorbenen umgegangen wird und wie Trauerfeier und Beerdigung dort abgehalten werden. Ein tief gehendes, liebevolles Gespräch über die Schönheit des Lebens.
„Jeder ist es wert erinnert zu werden. Sie sind hierher gekommen, um ein Geschenk zu sein. Und sie haben ihren Körper verlassen, um zurück zum Großen Einen zu reisen.“
Das Video ist englisch mit deutschen Untertiteln.
Weiterführende Links:
Chant in besserer Tonqualität
Webseite von Angaangaq mit Seminaren
Blog-Beitrag zu diesem Gespräch mit der Möglichkeit, Angaangaq als Ältesten durch eine Spende
in seinem Lebenswerk zu unterstützen
Bücher von und mit Angaangaq:
Schmelzt das Eis in euren Herzen
Schamanische Weisheit für ein glückliches Leben
Der Alltagsschamane
Altes Wissen für eine neue Zeit
Über eure Fragen und Kommentare zum Gespräch freuen wir uns. Schreibt gerne hier in den Kommentaren oder kommt in unsere Facebook-Gruppe.
Super geschriebener und informativer Artikel :-). In diesen Blog werde ich mich noch richtig einlesen