Ich könnte meinen Löffel jetzt abgeben

Löffel

Ich bin zu spät. Mal wieder. Momentan ist die Zeit etwas zu schnell für mich. Aber das Leben ist trotzdem gut zu mir und ich darf noch mitmachen, mehr als eine Woche nach dem Termin, den ich mir eigentlich ausgesucht hatte. Wie schon im letzten Jahr bin ich nämlich bei der November-Blogaktion vom Totenhemd-Blog dabei. Diesmal geht es um die Löffelliste, den Aufruf dazu findest du hier.

Die Löffelliste. Das ist nun also diese Liste, auf der all die Dinge stehen, die man im Leben noch so erleben möchte. Bevor man den Löffel abgibt eben. Damit man sie nicht bis ganz zum Schluss aufhebt. Um sich bewusst zu machen, dass wir hier nicht ewig Zeit haben. Denn irgendwann, wenn der Tod an die Tür klopft, dann ist es vielleicht zu spät und dann wollen wir doch nicht bereuen, dass wir zu wenig von dem, was uns eigentlich wichtig war, getan haben in diesem Leben. Kein schöner Gedanke, irgendwann so auf dem Sterbebett zu liegen und sich zu fragen „Warum habe ich eigentlich nie..“. Die Löffelliste ist eine Möglichkeit, sich bewusst zu werden, was denn eigentlich die Dinge sind, die wir noch unbedingt erleben wollen. Wieder einmal schickt uns der Blick auf den Tod damit direkt mitten rein ins Leben.

Wie ist das also mit mir und meiner Löffelliste? Zur Idee der Blog-Aktion gehört es, die eigene Liste zu erstellen oder fortzuführen und dann etwas davon zu tun. Oft habe ich darüber nachgedacht, saß ab und zu vor einem leeren Zettel, aber irgendwie .. irgendwie wollte da nichts rausfließen. Bis mir auffiel: Einen riesengroßen Punkt meiner Liste habe ich ja auch gerade erst abgehakt! Ein Buch schreiben und veröffentlichen. Wow. Das war immer so der Punkt überhaupt für meine persönliche Liste, auch wenn ich bisher nie wirklich eine aufgeschrieben habe. Tatsächlich existiert dieser Todo-Punkt in meiner Aufgaben-Software bereits seit bestimmt sechs Jahren im Bereich „Someday“. Da steht einfach so ganz schüchtern „Ein Buch schreiben“. In Wahrheit habe ich diesen Traum bereits seit ich gerade so schreiben konnte. Also so knapp 30 Jahre. Wie wenig habe ich all die Jahre daran geglaubt, dass ich an dieser Stelle wirklich mal einen Haken setzen würde. Und jetzt habe ich es schon erledigt, noch vor meinem 35. Geburtstag. Im Grunde könnte ich meinen Löffel nun ohne Reue abgeben. Ja, doch, wirklich. So fühlt es sich an. Damit meine ich nicht, dass ich gehen will, ganz und gar nicht. Aber es wäre okay in dem Sinne, dass nichts offen bliebe, das ich tief bereuen würde. Ich habe diese Weltreise gemacht, als die Zeit dafür da war. Ich bin immer wieder meinem Herzen gefolgt. Ich habe diesen Blog gestartet anstatt nur darüber nachzudenken. Und jetzt dieses Buch geschrieben und veröffentlicht. Nun möchte ich noch mehr lernen, ganz im Hier und Jetzt zu leben. Ganz zu leben mit allem, was dazu gehört. Meine Träume spinnen und nicht lange warten, um sie Wirklichkeit werden zu lassen. Jetzt gerade habe ich nicht das Bedürfnis, dafür erst eine Liste anzulegen.

Da fällt mir mein lieber Opa ein. Mein Opa hat sehr gerne fotografiert und sein Leben lang von einer Leica, dieser ganz besonderen und auch teuren Kamera, geträumt. Als er dann schon relativ alt war, hat die Familie überlegt, ob es nicht an der Zeit wäre, dass alle zusammenlegen und ihm diesen Traum endlich erfüllen. Da gestand er, dass er das gar nicht möchte. Er hätte doch einfach gerne noch was, wovon er träumen kann. Ich frage mich, ob es nicht vielen Menschen so geht. Dass sie ihre Träume nie wirklich erfüllen wollen, vielleicht aus Angst, was dann wohl kommt, wenn sie keinen großen Traum mehr vor Augen haben. Aus Angst, sich wirklich alles einfach zu erfüllen und dann am Ende keinen Grund mehr zu haben weiterzumachen. Ich glaube, das passiert nicht. Ich glaube, je mehr wir im Hier und Jetzt direkt das erfüllen, was wir uns wünschen, desto erfüllter wird auch unser Leben sein und bleiben. Ich glaube, es gibt keinen Grund zu warten. Dieser Moment, in dem ich mein erstes eigenes Buch in den Händen hielt, wird für immer ein ganz besonderer bleiben. Ich habe ihn nun hinter mir und konnte ihn nicht festhalten, aber deshalb ist mein Leben nun nicht ohne Sinn. Es werden noch so viele weitere besondere Momente folgen, auch wenn ich gerade gar keine Ahnung habe, was es wohl sein mag. Jetzt wird mir klar: Ich brauche diese Liste nicht, um mir bewusst zu machen, dass das hier endlich ist. Ich habe es bereits auf tief erschütternde Art und Weise verstanden. Die Dinge, die mir wirklich wichtig sind, bis zum Schluss vor mir herzuschieben, ist gar keine Option mehr für mich. Bevor ich mich also mit dem Schreiben einer Liste aufhalte und mir irgendwelche neuen Punkte aus den Fingern sauge, stürze ich mich doch einfach direkt ins Leben. Ach Halt, vorher feiere ich noch einen Moment dieses Buch, diesen einen großen Löffelpunkt, dessen Erfüllung mir gerade dieses unglaublich freie, glückliche, strahlende Gefühl gibt. Und dann halte ich noch mal kurz inne und danke dem Leben. Danke dir, liebes Leben, dass du mich so reich beschenkst. Danke, dass ich in diesen Tagen manchmal nicht weiß, wie ich mein Glück aushalten soll. Danke, dass ich das erleben darf nach all dem schweren Scheiß die letzten Jahre. Vor vier Jahren hätte ich noch gesagt, dass ich ohne Weiteres meinen Löffel abgeben könnte, weil das Leben für mich sowieso nicht mehr lebenswert war, weil ich einfach alles verloren hatte. Jetzt wäre ich bereit ihn abzugeben, weil das Leben mich schon so reich beschenkt hat. Ich hoffe, ich darf ihn trotzdem noch eine Weile behalten.

Und jetzt du: Hast du eine Löffelliste? Was steht darauf? Was hältst du von der Idee? Was möchtest du in deinem Leben noch erleben? Ich freue mich auf deine Kommentare. 

   

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2 Antworten

  1. Super, Silke. Du hast es noch geschafft mitzuschreiben! 😊 und gerade heute ist dein Buch bei mir eingetroffen. Danke dafür. Ich werde es in unserem Blog vorstellen.

    Hört sich richtig gut an, dass du jetzt so richtig glücklich deinen Löffel abgeben könntest. Ich wünsche dir allerdings noch viele schöne und glückliche Lebensjahre.
    Herzlicher Gruss
    Petra

    1. Oh wie schön, dass das Buch da ist! Ich bin schon gespannt, was du darüber schreiben wirst.
      Danke dir für deine lieben Wünsche und dass ich auch verspätet noch dabei sein darf 🙂
      Alles Liebe
      Silke

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