Die zwei Seiten der Trauer-Medaille

Trost

Wie so vieles im Leben hat auch die Trauer zwei Seiten der Medaille.

Die eine ist so offensichtlich: sie kommt oft plötzlich und unerwartet, vor allem aber unwillkommen. Sie bringt seelischen Schmerz mit sich. Und Vermissen. Kopf und Herz wissen nicht, was sie mit sich anfangen sollen. Gott-Zweifel und Gefühle der Ungerechtigkeit werden oftmals täglicher Begleiter. Verlorenheit. Sprachlosigkeit. Und noch mehr seelischer Schmerz.

Doch auch die Trauer-Medaille hat diese andere Seite, eine Seite, der tatsächlich Positives abzugewinnen ist. Um Trauer in eine positive Kraft zu lenken, ist es notwendig zu akzeptieren, dass sich etwas verwandelt oder verwandelt hat. Zu dieser Verwandlung gehört die Akzeptanz, dass die alte Form unwiederbringbar verloren ist. Dann kann eine neue Form geschaffen werden, die mit Leben gefüllt wird und die einen Platz im zukünftigen Leben hat.

In unserer Kultur in Deutschland haben wir im letzten Jahrhundert zwei Weltkriege gesehen. Unsere Eltern und Großeltern haben so sehr viel Tod gesehen, dass es irgendwann hieß: weggucken! Und das ist nun über Jahrzehnte unsere Trauerkultur: Möglichst nicht hinsehen, möglichst verdrängen und ausblenden. Ist ein Freund oder Bekannter von einer Trauersituation betroffen, wissen wir meist nicht, wie wir reagieren sollen. Wie oft haben wir gehört, dass Menschen die Straßenseite wechseln, wenn ihnen ein trauernder Bekannter entgegen kommt?! Doch: Wie soll es auch anders sein? Wir haben es ja nicht gelernt, hinzusehen… Der Trauernde selbst verliert so nicht nur einen geliebten Menschen, sondern oftmals das halbe soziale Umfeld noch dazu. Trauer macht einsam.

Doch es bewegt sich etwas; die Trauer darf leben! Neben vielen Hilfe- und Austausch-Anlaufstellen entstehen viele emotionale Dienstleistungen und Produkte, die helfen zu wandeln, die helfen zu integrieren.

Und was ist denn jetzt diese andere Seite der Medaille? Wenn ein neuer Umgang mit der Trauer gelebt werden kann und der Verstrobene bzw. die Erinnerung an ihn in das Leben integriert werden kann, dann gehen Trauer und eine Mischung aus Liebe und Dankbarkeit Hand in Hand. Es ist die Dankbarkeit, dass der geliebte Verstrobene im eigenen Leben war, wenn auch eventuell viel zu kurz. Eine traurige Schönheit oder besser: eine schöne Traurigkeit. Alte persönliche Werte bekommen einen neuen Glanz und neue Kraft – oder es entstehen ganz neue Werte. Aller unnötiger Schnickschnack und die Zerstreuung verlieren an Reiz und werden ausgemistet. Das Leben wird entschlackt. Eigene große Ziele und der Sinn des Lebens werden klarer und der Weg dorthin effizienter.

Fast alles in unserem Leben hat zwei Seiten. Oftmals ist es nur sehr schwer, die Rückseite der Medaille zu sehen. Was den Umgang mit der Trauer angeht, so sind wir in Europa auf einem guten Wege. Vielleicht haben wir auch irgendwann einen nationalen Feiertag wie den „dia de los muertos“, an dem die geliebten Verstorbenen gefeiert werden! Gefeiert, da sie in unserem Leben waren. Gefeiert, da sie uns eine Zeit lang das Leben versüßt haben. Gefeiert, da sie uns vielleicht sogar das Leben geschenkt haben.

Alles Liebe,

Hendrik

von mapapu

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