„Die Hoffnung stirbt zuletzt“, sagt man so schön. Man soll sie nicht aufgeben, die Hoffnung. Denn solange sie da ist, ist noch nicht alles verloren. So werden oft schlechte Nachrichten von denjenigen, die sie betreffen, ferngehalten, damit sie die Hoffnung nicht verlieren. Im Gegenzug ist dann manches Mal niemand da, mit dem sie über ihre Hoffnungslosigkeit sprechen können. Und dann hofft man, dass es Trauernden oder Kranken oder Menschen in schwierigen Situationen bald besser geht. Hauptsache hoffen, Hauptsache positiv denken und nach vorne schauen. Wohin eigentlich?
Ich habe gestern einen Beitrag auf Facebook dazu gelesen, der mich inspiriert hat. Und ich liebe es ja, über solche Dinge nachzudenken und dich daran teilhaben zu lassen. Tief einzutauchen in Gefühle, die hinter Worten stehen. Zu hinterfragen, was man immer so sagt. Zu versuchen, ein wenig anders zu denken, einfach nur um auszuprobieren, ob das irgendetwas in mir ändert. Ohne Anspruch darauf, dass meine Gedanken wahr oder allgemeingültig wären und immer mit der Erlaubnis mir selbst gegenüber, dass ich es morgen schon wieder ganz anders sehen darf. Immer auf der Suche nach der Wahrheit, die es vielleicht so gar nicht geben kann. Und immer gespannt, ob meine Worte wohl in dir anklingen oder eher auf Widerstand stoßen, du das, was ich beschreibe, vielleicht ganz anders erlebst. Heute denke ich also über Hoffnung und Vertrauen nach und möchte dich daran teilhaben lassen. Und natürlich einladen, mit einzutauchen in dieses Gedankenexperiment.
Die Hoffnung, die wir immer behalten sollen, bezieht sich auf die Zukunft. Ich hoffe, dass es dir bald besser geht. Ich hoffe, dass sich meine Träume erfüllen, meine Ideen umsetzen lassen, dass ich einen tollen Partner finde, dass meine Kinder es später mal gut haben, dass das Wetter am Wochenende hält. Meistens hoffe ich, dass etwas geschieht, oft etwas, worauf ich selbst keinen oder wenig Einfluss habe. Etwas im Außen. Ich hoffe, dass sich etwas zum Guten wendet. Mit dieser Hoffnung sind immer auch bestimmte Erwartungen verbunden, wie dieses „Gute“ aussehen soll. Ich habe dann oft ganz konkrete Vorstellungen von dem, was ich da für die Zukunft erhoffe. So trösten wir uns oft mit dem Gedanken, dass alles schon gut wird. Irgendwann.
Aber was ist im Hier und Jetzt? Ist das nicht der einzige Moment, der wirklich existiert? Und wie oft sind wir überhaupt wirklich da, in diesem Moment? Während ich so hoffe und in die Zukunft blicke, wie fühle ich mich da im Hier und Jetzt? Was verpasse ich dann vielleicht sogar? Wenn mir jemand erzählt, dass er krank ist, und ich ihm sage, dass ich hoffe, dass er bald wieder gesund sein möge, springe ich dann nicht direkt aus dem Jetzt heraus, weg von ihm, weg von diesem Menschen, der jetzt gerade doch aber eine blöde Zeit hat? Wenn ich da so hinein spüre, dann merke ich, dass hoffen sich für mich auch etwas ausgeliefert und wartend anfühlt. Ich kann nur hoffen, aber ich kann nichts tun. Ich will nicht fühlen, was da gerade ist, aber ich kann immerhin hoffen, dass es irgendwann aufhört. Und das wird es ja sowieso, denn schließlich geht alles einmal vorbei.
Was wäre also, wenn ich sage, ich vertraue? Ich vertraue darauf, dass alles okay ist, so wie es ist? Und zwar immer? Selbst dann, wenn es sich jetzt für mich ganz und gar nicht so anfühlt? Ich vertraue, dass alles schon da ist, dass alles aus irgendeinem Grund genau so passiert wie es soll? Ich vertraue darauf, dass alles bereits gut ist und nicht erst wird. Dieses Vertrauen wäre dann ein Gefühl tief in mir drin, das nichts mit dem Außen zu tun hat. In mir drin kann ich vertrauen, egal welche Herausforderungen mir im Leben gerade begegnen. Ich kann traurig sein oder erschöpft oder verzweifelt, aber ich kann tief drin vertrauen, dass das gerade für irgendetwas gut ist. Ich kann darauf vertrauen, dass dieser verzweifelte Moment vorbeigeht, dass das Leben noch etwas bereithält für mich, dass ich immer getragen und geliebt bin, auch wenn ich es vielleicht jetzt gerade nicht spüren kann. Das fühlt sich für mich ganz anders an als Hoffnung. Ich warte nicht auf etwas, das endlich geschehen möge, oder jemanden, der endlich kommen soll, damit sich meine Situation ändert. Ich bin nicht enttäuscht, wenn sich die Hoffnung nicht erfüllt. Ich schiebe nichts in die Zukunft. Ich bleibe im gegenwärtigen Moment. Ich fühle, was es zu fühlen gibt. Ich erlebe, was es zu erleben gibt. Und ich vertraue. Ich vertraue darauf, dass ich nichts kontrollieren muss. Ich begebe mich in den Fluss des Lebens und leiste keinen Widerstand mehr.
Damit will ich nicht darauf hinaus, dass Hoffnung grundsätzlich schlecht ist. Ich habe nur erfahren, dass es leichter geht im Leben, wenn wir ins Vertrauen finden. Und das geht natürlich nicht von jetzt auf gleich. Da gibt es keinen Schalter, mit dem wir das Vertrauen einschalten können. Aber wir können es üben. Wir können üben, im gegenwärtigen Moment zu sein. Das heißt nicht, dass wir die Zukunft ganz ausblenden oder nicht „nach vorne schauen“, aber es heißt auch, dass wir mit dem sein dürfen, was jetzt gerade da ist. Jederzeit, immer im Hier und Jetzt.
Wie fühlt sich das für dich an, wenn du da reinspürst? Wenn du in die Hoffnung reinspürst und ins Vertrauen? Welche Gefühle und Gedanken kommen dir dazu? Ich freue mich, wenn du sie mit mir, mit uns teilen möchtest.

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Ich danke dir von Herzen für die Wertschätzung meiner Arbeit, Zeit und Liebe, die ich in all das hier fließen lasse ❤
7 Antworten
Ich glaube (eigentlich!) nicht daran, dass ich meine verstorbene Frau in einer anderen Welt wiedersehe. Aber ich wünsche es mir so sehr.
Nun habe ich kürzlich in einem Buch von einem Mann gelesen, dem es wie mir ging. Er hat seiner Tochter in einem Abschiedsbrief, kurz vor seinem Tod, mitgeteilt, dass er wiederum in einem Werk eines alten Meisters oder Mystikers – ich habe vergessen wer- gelesen habe, dass man eine Wette darauf eingehen soll, dass es ein Wiedersehen gibt. Werde man die Wette verlieren, habe man ja nichts verloren. Man könne aber auch gewinnen. Mit der Hoffnung, dass er die Wette gewinne und seine geliebte Frau wiedersieht, sterbe er nun leichter.
Danke dir, lieber Bertram, für deinen Kommentar. Dieser Gedanke hat mir auch sehr geholfen. Ich hatte anfangs das Gefühl, verrückt zu werden. Ich glaubte doch eigentlich an nichts und dann war da aber auf einmal dieses Gefühl, dass Julian weiter existiert, auf eine andere Art. Ich habe mir dann auch irgendwann gesagt, dass ich ja gar nichts riskiere, wenn ich einfach diesem Gefühl folge und mich für den Glauben entscheide. Schließlich werde ich ja gar nicht enttäuscht sein können, sollte dann nach dem Tod doch wider Erwarten einfach so alles vorbei sein. Ein Gedanke, der den zweifelnden Verstand beruhigen kann. Danke, dass du ihn hier teilst!
Mit Hoffen und Vertrauen bin ich sehr reingefallen. Deswegen ist mein Weg immer mehr das achtsame Wahrnehmen geworden, dadurch kann ich dann auch immer wieder zu einem echten Vertrauen in mir gelangen. Vom Verstand her kann man sich vieles ausdenken, zusammenreimen und dann auch mit Vertrauen in eine Situation gehen, wo das, was dann geschieht, ganz anders aussieht, als man sich es sich erhofft hat.
Danke dir, liebe Miriam, für deinen Kommentar. Wie gut, dass du es ansprichst. Wenn ich von Vertrauen schreibe, dann meine ich ein Vertrauen, das nichts mit dem Verstand zu tun hat. Ein tiefes, intuitives Vertrauen in das Leben selbst. Und ja, auf dem Weg dort hin hilft achtsames Wahrnehmen, Annehmen und ganz im Moment sein sehr. Alles Liebe für dich!
Liebe Silke,
mir kam das Wort „Glaube“ auch in den Sinn, als ich deinen Artikel las. Es ist noch tiefer als Vertrauen.
Hoffnung ist ein Verströsten, Vertrauen ist das Gefühl, dass alles richtig ist und Glaube ist Wissen.
Liebe Grüße
Anna
Liebe Anna,
danke dir für deinen Kommentar! Das ist spannend, für mich ist Vertrauen vom Gefühl her tiefer als Glaube. Es mag aber daran liegen, dass das Wort „Glaube“ bei mir teilweise leicht negativ besetzt ist, einfach so ganz persönlich. Vielleicht habe ich es deshalb auch nicht verwendet. Wenn ich sage, ich vertraue dem Leben, dann meine ich damit auch ein tiefes, inneres Wissen, dass alles schon gut ist wie es ist. Das wäre dann wohl das, was du mit Glaube benennst.
Danke dir für diesen Impuls!
Liebe Grüße
Silke
Hallo Silke,
ich fand es spannend in Deinem Artikel und in den Kommentaren zu verfolgen, was uns in der Trauer und in unserem Leben die größte Kraft geben kann: Glaube oder Vertrauen. Vielleicht sind Glaube und Vertrauen miteinander verwandt.
Ich komme gerade vom Jakobsweg. Dort habe ich mich mit Marc, einem Psychologen, unterhalten. Marc „Ich gehe zwar diesen Weg, aber ich glaube nicht.“ „Gehst du diesen besonderen Weg vielleicht auch, weil du ahnst, dass es eine Wirklichkeit gibt, die mehr ist, als das, was wir sehen, hören und tasten?“ „Ja genau.“ „Dann haben wir ganz viel gemeinsam, nur mit dem Unterschied, dass ich das mit Gott in Verbindung bringe, wohl wissend, dass ich mir am besten kein Bild von Gott mache, weil ER ganz anders ist, als ich denke kann.“ Marc nickt nur und wir gingen schweigend weiter.
Glauben kann ich nur dann, wenn ich im Leben spüren konnte, dass es eine andere Wirklichkeit gibt. Wenn ich Dich richtig verstanden habe, Silke, hast Du die Erfahrung gemacht, dass mit dem Tod Deines Freundes der Kontakt zu ihm nicht zu Ende gegangen ist. Eine solche Erfahrung habe ich selber auch machen dürfen. Wir können diesen Kontakt, obwohl er uns gut tut, nicht beweisen. Ich kann diese Erfahrung mit dem Glaubenssatz in Verbindung bringen: „Die Liebe ist stärker als der Tod.“
Von daher bin ich der Überzeugung, dass Vertrauen, Glaube und Erfahrung der anderen Wirklichkeit Geschwister sind.
Liebe Grüße Elmar